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Korrespondenz

Von Jean Paul an Anna Marie Sophie Ellrodt. Hof, 22. August 1783.

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[ Hof, 22. August 1783. Freitag]

Der, welchen Sie um 10 Meilen weit entfernt glauben, wird von Ihnen immer noch nur durch 4 Stunden getrent; und der Brief, den Sie iezt lesen, komt nicht von Leipzig, sondern von Hof. Meinen festen Entschlus, den vergangnen M[ontag?] abzureisen, vereitelte eine Hindernis, die ich Ihnen iezt erzälen werde, um mich bei Ihnen zu entschuldigen, daß ich mein Versprechen, bald abzureisen, erst auf den nächsten Montag erfülle. Ich hatte nämlich alles mein Geld, das ich von Leipzig mitgebracht, meiner Mama geliehen. Allein sie konte mir es zur Zeit, wo ichs brauchte, nicht wiedergeben; und kan es erst iezt, da ihr ein guter Freund damit ausgeholfen. Aber bald werd’ ich die Gegenden auf lange verlassen, die mir nichts schönes anbieten ausser der Person, die sie auch verlassen wil; bald werd’ ich weiter von Ihnen sein, um früher Ihnen nah zu sein. Aber ich möchte Sie eher sehen als in Leipzig und in Hof noch einmal glüklich sein, eh’ ich es in Leipzig werde. Vielleicht daß Sie mir das Glük, Sie zu sehen, noch einmal gewären. Ihrem Verstande trau’ ich viel zu; Ihrer Liebe alles. Zu einem Mittel, meine Bitte zu erfüllen, liesse sich vielleicht folgender Zufal anwenden. Der sogenante schwarze Doktor Jördens — es giebt hier einen schwarzen und weissen Doktor wie unter den Engeln [?] schwarze und weisse, wie auf dem Dambret schwarze und weisse Steine — lies uns heute sagen, daß er Ihrem H. Bruder den Tisch aufkündigen müste, weil er bald käme bald nicht käme. Wie wenn Sie die Verschaffung eines neuen Tisches bei Ihren lieben Eltern zum Vor wand brauchten, den H. Bruder hieher zu begleiten? — Bleibt mein Wunsch ungewärt, so neme ich in diesem Brief zwar nicht noch einmal Abschied — denn Schmerzen leren mich, daß ich ihn schon einmal genommen — aber ich küsse Sie noch einmal im Bilde, bitte um Ihre Briefe und reise mit der Hofnung eines verbesserten Schiksals nach dem Orte hin, dessen Reizen keine felen als die Ihrigen. Beruhigen Sie Ihren Schmerz über die Trennung durch den Gedanken, daß Ihre Liebe glüklich macht etc.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Anna Marie Sophie Ellrodt. Hof, 22. August 1783. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_58


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 58. Seite(n): 106-107 (Brieftext) und 447-448 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: 23. Den 22 August. i: Wahrheit 3,261× A: IV. Abt., I, Nr. 22.

Vgl. Nr. 49†. Man beachte, daß hier und bei den folgenden Briefen an Sophie K die Adressatin nicht nennt. 107, 1ff. Sophie wollte in Leipzig eine Stelle als Wirtschafterin oder Beschließerin annehmen, s. 109, 6–9. 7f. Der schwarze Doktor wurde der Landphysikus Georg Christoph Joerdens (1732—1807) in Hof genannt, ein Oheim der Geschwister Otto; der weiße Doktor hieß dessen älterer Bruder Christian Friedrich Joerdens (1725—91), Stadtphysikus in Hof. (Fikenscher; Weißmann Nr. 4498 u. 4503.) 10 Sophies Bruder, Georg Friedrich Rudolf Ellrodt, war seit Ostern 1782 Schüler des Gymnasiums in Hof (Weißmann Nr. 2500) und diente anscheinend den Liebenden als postillon d’amour.