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Korrespondenz

Von Jean Paul an Anna Marie Sophie Ellrodt. Leipzig, 14. September 1783.

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[ Leipzig, 14. Sept. 1783 ]

Ser schwer müsten Sie zu erzürnen sein, wenn Sie es über mein Stilschweigen nicht wären. „Zögert er schon mit dem ersten Brief „solange, werden Sie zeither gedacht haben, wie saumselig wird er erst „in den folgenden sein!“ Dies lezte dürfen Sie aber nicht besorgen; weil der Zukunft die Ursache felen wird, die mein ieziges Stilschweigen veranlaste und entschuldigt. Mein Brief solte nämlich Ihren lezten nicht blos beantworten, sondern auch das enthalten, was er enthielt; meine Silhouette, auf die ich Ihnen eben so lange warten lassen müssen. Aber warum lass’ ich doch die kalte Entschuldigung vor d[em] wärmern Dank sich vorausdrängen? Für Ihren so schönen Brief nämlich, „der Ihrem Kopfe soviel Ere macht“, würd’ ich hinzusezen, wenn ich Sie blos schäzte, one Sie zu lieben; aber über die Liebe vergesse ich iedes andre Lob Ihres Briefs als dies, daß er Ihrem Herzen Ere macht, daß er im Ausdrukke Ihrer Liebe mir halb die schönen Augen ersezt, in denen ich sie sonst las. Dieser Brief malet Ihr Bild mit richtigern Zügen als der Schattenris, der ihn begleitet und für den ich nur mit meinem Ihnen danken kan. Ich bin schwer zu treffen; aber besser, wie im gegenwärtigen Schattenris kan ich nicht getroffen werden und dennoch ist er mir immer nicht ser änlich. In etlichen Wochen schikk’ ich Ihnen eine Abbildung, worin ich besser werde getroffen sein — ich meine mein Buch. Auch die Verfertigung des leztern, zu deren Beschleunigung die herannahende Messe und der Verleger mich ermante, war ein Anlas zu meinem langen Stilschweigen und ob mich gleich nichts hindern kan, an Sie zu denken, so kan manches mich doch hindern, an Sie zu schreiben. Allein nichts kan mich hindern, für Sie zu arbeiten; nur gleicht der Erfolg meiner Mühe noch nicht. Zu dem Glük, Sie zu sehen, hab’ ich zwar Hofnung, aber noch nicht Gewisheit. Hier ist es weniger gewönlich, als an andern Orten, Personen, deren Namen Sie kennen, zu halten; und meistens halten nur die sich sogenante Ausgeberinnen, die ihre Weiber verloren haben. Doch lassen Sie sich dadurch nicht mutlos machen; dies alles beweist nur die Schwierigkeit, aber nicht die Unmöglichkeit der Sache. Was kan nicht das Ungefär tun? das Ungefär, das schon so viel tat, wird die Liebe, die es veranstaltet hat, gewis auch beglükken. Schreiben Sie mir bald, viel und mer als ich iezt schreiben kan; schreiben Sie mir iede Kleinigkeit, die Sie betrift: denn für mich ist das, was Sie betrift, keine Kleinigkeit; wenden Sie die Stärke Ihres Geistes, die Sie vor andern Frauen so sichtbar auszeichnet, zur Bekämpfung einer Sensucht an, in die sich bei Ihnen nicht wie bei mir Süssigkeiten mischen, und lieben Sie den, den Sie so beglükten, der Sie so liebt und der immer sein [wird] etc.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Anna Marie Sophie Ellrodt. Leipzig, 14. September 1783. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_60


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 1. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1956. Briefnr.: 60. Seite(n): 108-109 (Brieftext) und 448 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: 25. Den 14. Sept. i: Wahrheit 3,264. A: IV. Abt., I, Nr. 23. 108,18 der] die 28 Bild] Brief