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Korrespondenz

Von Jean Paul an Friedrich Köppen. Bayreuth, 6. Februar 1821.

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[ Bayreuth,6. Febr. 1821 ]

Mein geliebter und höchstgeschätzter Köppen! Für so manche Weisen Sterne, die Sie mir geschenkt, bekommen Sie hier blos einen Bart und Schwanzstern ins Haus, welcher schon nach seinem Namen Weise mehr plagen und irren als zurechtweisen kann. Das Publikum verfeinert seinen Geschmack am Komischen nicht in dem Grade, wie es ein Autor darin thut, der sich und fremdes immer mehr satt wird; mein Komet wird daher sogar unter meinen Lesern abweisende finden. Nicht sowol der Verstand als vorzüglich der komische Sinn kommt nicht vor den Jahren; und ich wünschte wol meinem Kometen einen Rezensenten, der so alt wäre wie Sie und rezensierte wie Sie in der Münchner Literaturzeitung, in der ich nichts lese als Sie.

Nie sah ich durch alle Literaturzeitungen hindurch die ästhetische Kritik als eine so unerzogene, scheue und doch laute Bettlerin als jetzo stehen; und man jagte sie gern weg für die alte Bibliothek der schönen Wissenschaften.

In der Hallischen Literaturzeitung N. 262 vom Oktober 1820 fand ich eine Rezension meiner Doppelwörter, worin jeder Satz entweder ein Irrthum oder eine Bosheit oder eine Abgeschmacktheit oder eine Verdrehung enthielt. Ließen mir nur meine wichtigern Arbeiten Zeit: ich würde einmal an einem solchen Sünder die Strafe für alle vollziehen, an den ich noch Müllner im Morgenblatte ketten würde. Indeß ver säume ich durch Verschieben nicht alles, sondern wecke vielmehr später die entschlafne Untersuchung wieder auf. Aber Sie brauchen auch nicht still zu sitzen, sondern Sie könnten recht gut aufsitzen und zwar nicht mich, doch sich vertheidigen mit Pfeilen, die Ihnen Apollo schon vorstrecken würde.

Durch die Einkleidung Ihres letzten Buchs in „Briefe“, gerade in solche wechselnde und in solche überhaupt, haben Sie eine herrliche Form über alles gefunden, was Sie nur sagen wollen. Sie hat so viel vom Biographischen und Dramatischen, daß man Ihnen mit Freuden durch viele Bände folgen wird. Schon der Titel zieht an. Das Biographische besteht auch darin, daß Sie Ihre — von mir meistens unterschriebnen — Gefühle bei Werken wie z. B. Ovids, der Sevigné etc. etc. aussprechen. Wir sollten nur mehre solche Geschmackgeständnisse von bedeutenden Lesern haben, damit eine Menge durch die Jahrhunderte überschätzte Werke — wie Gilblas, Scarron, der spätere Geßner, zum Theil Klopstock als Epiker und zum Theil Göthe’s Meister als Roman — den nachgebeteten Glanz der ersten Erscheinung verlöre.

Verzeihen Sie mein Ge—schreibe; leider mach’ ich alle meine Briefe, sogar an Fürsten, schon auf dem Briefpapier.

Dank für den funkelnden und wärmenden Abend bei Ihnen; und noch einen ganz besonderen Dank Ihrer liebenswürdigen Gattin, welche leiblich und geistig so schön zu geben wußte und deren Augen und Ohren an jenem Abende am wenigsten fehlen durften. — Wahrscheinlich werden Sie mir für meinen Dank wieder ganz besonders danken; aber schicken Sie mir ihn, ich meine Ihren Brief, ja nicht eher als nach der Lesung meines Kometen, weil mir jede Kritik, und vorzüglich Ihre, gerade jetzo unter dem Schaffen des 3ten Bändchens am hülfreichsten ist, es sei zum Ermuntern oder zum Verbessern und zum Vermeiden.


Der Ihrige J. P. Fr. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Friedrich Köppen. Bayreuth, 6. Februar 1821. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_143


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 145. Seite(n): 93-94 (Brieftext) und 357 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (von Emmas Hand): Prof. Köppen in Landshut 6 Febr. i: Denkw. 3,318. A: IV. Abt., VIII, Nr. 92. 94,15 mehrere 18 Epikur 19 nachgebetenen

93,32 ff. Über die Rezension in der Hallischen Literaturzeitung s. Nachschule § 23 (I. Abt., XVI, 450). 94, 8ff. Köppens letztes Buch: „Vertraute Briefe über Bücher und Welt“ (1820—23). Der vierte Brief des 1. Bds. handelt von „Des Briefstellers Abneigung gegen manche Schriftwerke“, z. B. Ovids „Klagen“, die Briefe der Sévigné, Voltaires Henriade, Boccaccios Decamerone u. a. m. 22 Abend bei Ihnen: s. 33, 33ff.