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Korrespondenz

Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 13. April 1821 bis 17. April 1821.

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Baireut d. 13. Apr. 1821

Mein Heinrich! Welch’ ein stummes Jahr! Immer wartete ich mit meiner Beantwortung deines ersten Briefs auf deinen zweiten, welchen mir wie sonst, mein Geburztag [!] versprach. Immer nichts — Gott gebe nur, daß dein Nasenbluten, wovon Max geschrieben, nicht Vor lauf einer Krankheit war. Auch er schweigt auf die Briefe meiner Caroline. — Wäre etwa schon Ferienzeit und er schon auf der Reise: so erfülle seine Pflicht gegen mich. — Dieses mal komm’ ich schon im Mai auf die Kunststrassen, die über — Heidelberg führen; wo ich aber hausen werde, ob in Mannheim, oder in Kreuznach oder in Karls ruhe oder in allen nach und nach, werd’ ich erst wissen, wenn ich zurück gekommen.

d. 14ten Apr.

Wieder nichts! — Wüßt’ ich nur die Ursachen des Schweigens! — Aber wie wohl soll mirs thun, nach so langer und stummer Unsichtbarkeit dich vor meinen Augen und Ohren zu haben! — Sind in Mann heim und Kreuznach Nachtigallen? Ihrentwegen und Göthe’s wegen möcht’ ich einmal nach Weimar, wenn dieses nicht auch ein Nachtigallen kirchhof jetzo wäre. — Die gute arme und reiche Koch! Gern hätt’ ich ihrem seltenen Herzen noch einmal gedankt. Ich wünschte wol, — nur nicht auf so wohlfeile Bedingungen, — in ihrem Gasthofe wieder zu wohnen. — Auf die Noten zum Aristophanes freu’ ich mich wenig stens eben so sehr als auf den Text; denn durch jene wird mir erst dieser. Nach deinen philologischen Streitschriften zu urtheilen, werden deine aristophanischen sogar noch reicher ausfallen als deine shakespearschen; denn Athen und dessen Zeit kennst du doch am besten. Umgekehrt würde Tieck zwar shakespearsche, aber nicht fünf aristophanische Noten so machen können wie du. — Deine Maskeraden-Xenien sind allerliebst; und du scheinst mir überhaupt — auch nach deinen Briefen und Rezensionen — deiner poetischen und satirischen Zeugkraft viel zu wenig zu vertrauen und anzumuthen; — wahrlich, du könntest etwas machen, zumal da du es schon gethan. — Mit meinen Arbeiten geht es langsam und närrisch.

d. 15ten Apr.

Vom Kometen hab’ ich wol 300 □ Seiten geschrieben, aber noch nicht verbessert; daher er — zumal bei meinem Reisen — schwerlich zu Michaelis erscheint. Reimer wünscht noch dazu seit vorgestern die zweite Auflage der unsichtbaren Loge zu Johannis — gedruckt, wenn ich nicht große Änderungen mache. Der Himmel weiß, ob ichs zu kleinen bringe. Denn ich habe der Vossischen Buchhandlung die grön ländischen Prozesse auf Michaelis versprochen. Auch der Katzenberger ist vergriffen. Neue Auflagen bringen zwar Geld, aber keine Schöpferfreude, sobald man nicht ganz neue Glieder, wie im Siebenkäs, nach zeugt.

— Wieder nichts! —

d. 16ten Apr.

Es ist zwar noch wieder nichts, aber unter dem Schreiben kann doch was kommen. In jedem Falle müssen morgen meine Klageblätter fort. — Max ist in seinen Briefen höchstens zu bescheiden und mit seinen Fort schritten zu wenig zufrieden. Wenn er, wie du schriebst, eine Geschichte der Philosophie wagen zu können sagte: so hätt’ ich dabei stehen mögen, um ihn eine ½ Stunde lang auszulachen. Vom Hofrath Gebauer schrieb er mir noch nichts; aber von Daub die Einseitigkeit, daß er vom Buch händler nichts neues Philosophisches und Theologisches sich will zugeschickt wissen. So ist auch Kanne; so war Fichte. So waren Leib nitz und Lessing nicht; für sie brach sich in jedem Buche ein Stral der Wahrheit, nur andersfarbiger. Jetzo ist jeder eine Sonne, die keine Stralen braucht und die ihre nur zum Selberspiegeln wieder empfängt.

d. 17ten Apr.

Heute läuft denn mein Brief ungetröstet fort. Aber inständig bitte ich dich um eine wenn auch kurze Antwort über die Länge der Ferien, über deinen und Maxens Aufenthalt, da sie meine Reise im Mai bestimmt, dessen dießjährige Schönheit ich nicht ungenossen will verfliegen lassen. — Böttiger hat euern Aristophanes schön in der Abendzeitung angekündigt. — Mein Komet erfährt allenthalben Verzögerungen, von der Jenaer Zeitung an bis zur eleganten. — Doch soll Köppen in der Münchner Lit[eratur] Zeitung mit Verstand und Güte ihn beurtheilt haben; aber diese im vorigen Jahre als Drilling hier umlaufende Zeitung ist in diesem nicht Einmal da. Ich soll stets passen. — Lebe wohl, mein geliebter Heinrich; grüße herzlich deine theuern Eltern und was euch zunächst Liebendes umgibt.


Dein Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 13. April 1821 bis 17. April 1821. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_168


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 170. Seite(n): 108-110 (Brieftext) und 362 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Landesbibl. Eutin. 6 S. 8°. K 1: Voß 13 Apr. K 2 (von Karolinens Hand): Berlin JP. J 1: Voß S. 118×. J 2: Schneider Nr. 8×. A: IV. Abt., VIII, Nr. 104. 108,18 Beantwortung deines ersten Briefs] aus Antwort auf deinen ersten Brief H 20 geschrieben] aus schrieb H 27 gekommen] aus bin H 109,11 anzumuthen] aus zuzumuthen H 14 Datum nachtr. H 23 sobald] aus wenn H 30f. Geschichte der] nachtr. H 35 waren] aus war H 110,7 dießjährige Schönheit ich] aus Schönheiten ich dießmal H

Der Brief kreuzte sich anscheinend mit dem an J. P. IV. Abt., VIII, Nr. 98. 108, 22 Max scheint in der Tat nach Mannheim verreist gewesen zu sein. 34 Koch: vgl. 38, 9–11†. 109, 8 Maskeraden-Xenien: s. Briefe von Heinr. Voß, III (1838), S. 117ff. 32 Gebauer: vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), VII, Nr. 123. 110, 8f. Böttiger: im „Wegweiser im Gebiete der Künste u. Wissenschaften“ (Beilage zur Dresdner Abendzeitung), 7. Febr. 1821, Nr. 11.