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Von Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 4. Januar 1820 bis 5. Januar 1820.

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[Schluß ehemals als Nachtrag am Ende des Bandes (S. 298) eingefügt]

2,16
Baireut d. 4ten Jenn. 1820

Wie schön unsere Briefe immer einander entgegengehen! Deinen
letzten bekam ich gestern; mein letzter ging vorgestern ab. Hier send’ ich
dir den Brief der Generalin Sch[ubaert]. Du mußt — wie ich dir 2,20
schon schrieb — mit eignem Fuhrwerk schon deiner Packereien wegen
nach Halle reisen; — trefflich wär’ es, könnte dich dahin Julius be-
gleiten, der Einsamkeit wegen — von Halle aus fährst du mit Betty mit
einem hiesigen Wagen, für welchen ihr beide den Tag seiner Ankunft
fest bestimmt, nachdem du etwan 1 Tag in Halle ausgeruht. Je früher2,25
ihr den Tag euers Abholens vorausbestimmt, desto leichter kann der
hiesige Fuhrmann eine Hinfracht sich ausmitteln. Da gerade die größere
Kälte in und nach der Jenner-Mitte eintritt: so darfst du nichts wagen
mit zufälligem oder schlechtem Fuhrwerk; verwende doch etwas von
deinem Gelde zuerst auf dich. — Deine Nähe ist mir nöthig im ein2,30
siedlerischen Baireut, wo ich die Weihnacht[t]age blos in meinen —
Alltaghosen zugebracht. Mir grauset vor künftigen Baireuter Wintern.
Lasse mich nur künftig mit weniger nachgeschickten Wolken meine
Sommerreisen freier genießen, die ohnehin meine jährlich wachsende
Sehnsucht nach Hause mehr verschattet! Leider werd’ ich, für das3,1
Irdische, immer unempfänglicher der Freuden — die der Natur aus
genommen — und immer theilnehmender an dessen Plagen. — Alle
die Eisspitzenwunden des Winters heil’ ich leicht zu; auch meinen Brust
nerven scheint er dieß mal nicht recht beikommen zu können. — Emma 3,5
strickte mir für Weihnachten (oft von Morgen 3 Uhr an) eine Weste wie
ich eine schon lange von ihr mit Vorliebe getragen; Odilia ein Paar
Socken. Beide putzten mir einen Baum und Emma hatte mir Mandeln
geröstet. — Die beiden Gräfinnen Schönburg gefielen mir sehr bei
Welden; heute abends bin ich auf sie und sie auf mich von der Schuk- 3,10
mann
eingeladen sammt Emma. — Ich wollte, du könntest auch den
Minister Schuckmann in Rücksicht der Pension sprechen. Die Papiere
kann ich jetzo nicht auffinden. Den 11ten Mai 1801 bekam ich vom
Könige die erste Versicherung einer Präbende; — und den 18ten März
1805 auf meine Bitte die zweite; — Im Dezember 1815 vom König3,15
die abschlagende Antwort, weil die Stifte eingezogen wären, und von
Hardenberg, weil der Staat so große Ausgaben gehabt. — Das
Couvert-Papier war glatt genug; packe unter die Möbeln 6 Bücher
davon ein; und auch anderes glattes Konzeptpapier, das darum gar
nicht sehr weiß zu sein braucht.

[Schluß ehemals als Nachtrag am Ende des Bandes (S. 298) eingefügt ]
3,20

Nachtrag 298,1

d. 5ten Jenn.

Ich flehe dich an, meine Theuerste, doch ja bei den Katarrhen die
Anstrengung des Besuchsprechens und den Wechsel der Temperatur298,5
mehr zu meiden, zumal da du noch unterwegs auszustehen hast, da
mit du nicht dort auf lange erliegst oder die Lungensucht heimbringst. —
Kaufst du eine Oper, so wähle statt der Iphigenie den Fidelio.
Packe ja die Bücher mit in den Möbelnkasten, die ich doppelt unter
strichen. Von der Historie aller Reisen hab’ ich früher mit Vergnügen 298,10
einige Bände gelesen. Es kommt nur darauf an, zu welchem Preise
und in welchem Verhältnisse zur übrigen Bibliothek sie dir an
geschlagen wird. — Voß gedenkt deiner in seinen Briefen immer mit
dem vollsten Herzen. — Ohne das herrliche Einreibmittel — das ich
daher auch dem bauchflüßigen Dobeneck verschrieben — würde der 298,15
hohe Barometerstand, da ers schon im Sommer thut, mich jetzo
hart mitnehmen; aber nun bin ich gepanzert; und noch dazu gebrauch’
ichs nur selten. — Die Düben ist nicht schön, aber ihr Betragen
höchst gebildet, leicht und vorurtheilfrei. Ich und Schuckmann
wurden ganz die vorigen Vertrauten. — Ich habe gar noch nicht das298,20
Herz, mich der ganzen Freude über unser nächstes Frühlingleben der
Seele zu überlassen, da noch so viele Wintertage und Wintermeilen
zwischen uns stehen; möge Gott dir siegen helfen! Grüße die Liebenden
um dich! —



Dein298,25
Richter

N.S. Damit mir doch von deiner Geld-Erbschaft wenigstens auf
dem Umwege etwas zukomme: so mache ja, daß Minna mir die so
alte Schuld sogleich bezahlt. Die Zinsen würden beinahe schon die
halbe Schuld ausmachen.298,30

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 4. Januar 1820 bis 5. Januar 1820. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_2


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 2. Seite(n): 2-298 (Brieftext) und 327-328 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Anfang: Jean-Paul-Museum, Joditz; ehem. Slg. Apelt, Zittau; 4 S. 8°. Schluß: Universitätsbibliothek Basel; ehem. J. A. Stargardt, Marburg; 2½ S. 8°. K (von fremder Hand): DLA, Marbach (nur der Schluß). J: Wahrheit, 8,233× (der zweite Satz ist aus Nr. 1 entnommen, der zweite Absatz aus Nr. 8). (Danach Nerrlich Nr. 185.) B: IV. Abt., VII, Nr. 243 und 244. A: IV. Abt., VIII, Nr. 4. 2, 30f. einsiedlerischen] aus eisigen 33 nachgeschickten] aus abgeschickten 3,5 beikommen zu können] aus beizukommen 16 wären] aus worden 19 glatten

2,20 Generalin Schubaert: vgl. Bd. VII, Nr. 603319, 13†. 3, 9 Gräfinnen Schönburg: vgl. Nr. 126†; die andere ist wohl deren Tochter Luise Renate Auguste, geb. 7. März 1783, Witwe eines Grafen Düben, vgl. 298, 18. 11–17 Pension: Karoline hatte gebeten, ihr die Kabinettsordren des preuß. Königs wegen der versprochenen Präbende zu senden, da sie mit dem Minister Altenstein darüber reden wolle; vgl. I. Abt., XVI, 218 und Bd. VII, 52, Nr. 141†. 298, 10 Historie aller Reisen: vgl. Bd. VII, Nr. 606, 321, 18†. 14 Einreibmittel: vgl. 1, 26f. Dobeneck: entweder der Sohn Ludwig des 1810 verst. Friedrich Ludwig Ferdinand von Dobeneck (1798—1854) oder dessen Vetter Hans Karl (1796—1865), der 1828 Fanny von Welden heiratete. 27–30 Auf diese Nachschrift bezieht sich wahrscheinlich die Stelle am Anfang von A: „Es ist so gar hart, den Menschen zu etwas aufzufordern, was er freiwillig so gern thun möchte, und thun wird, so daß wir lieber die Sache noch ein wenig abwarten wollen.“ — Es fehlt anscheinend noch ein Stück von H, auf das sich folgende Stellen in A beziehen: „Du fragst mich, ob ich mit der Mutter noch fortwährend im alten Vernehmen bin? ... Die Einteilung [der Erbschaft] in 3 war schon ausgedacht, als Dein Brief kam. Otto bedenkt wohl nicht, daß die Mutter die Hälfte von dem noch ausgezahlten Gehalt bekommt ... und dann doch gewiß die Pension.“