Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 4. September 1821.
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Eilig, da ich zugleich an134,11
Mein geliebter Max! Wie oft wurde meine Reise gehindert, wie so
viele Freudenbeschlüsse gerade in diesem Jahre, wo immer ein
Wein
nach dem andern mir schädlicher war! Voß wird dir in seinem Briefe
134,15
die Hindernisse zu lesen geben. Übrigens bin ich
eben jetzo wie der
h[eilige] Franziskus mit fünf
Wundenmalen, nämlich 5 Blutbeulen,
aber doch symmetrisch besetzt. — Noch schwank’ ich aber, ob
ich nach
Bamberg — zum Bücherlesen —, oder, (viel wahrscheinlicher)
nach
Weimar gehe zum Göthesprechen. (Beiläufig! ihr habt alle
Göthen
134,20
über mich im Divan misverstanden; lies z. B. nur
dieses vor vielen
Jahren geschriebne Blättchen; auch weiß ichs sonst.) Zum
Ersatze aber,
mein theuerer Sohn, nach dessen Wort und Anblick ich mich
so schmerz
lich und so vergeblich
gesehnt, reise du am Eden-Rheine und berausche
dich an seinen Ufern, schon ohne die Trauben. Grüße mir,
solltest du bis134,25
nach Mainz kommen, den edeln Mann
Jung und den vollherzigen
Präsident Jakobi sammt der Frau und den theuern Thieriot. — Dem
zurückkeh renden Kapp gib ja ganze
Stöße Briefe mit und schreibe sie
voraus, besonders die bestimmtesten Rechnungen deines
Haushaltes.
Durchaus aber melde mir vorher, welche
Kollegien du hören willst, damit134,30
nicht immer mein
Rath nach deiner That ankomme. — Von der
Frau v. Ende mögest du dich ja auf ihrer Rückreise von Schlangenbad
nicht versäumen lassen! — Eben besuchte mich hier in Schwabachers
Garten der zurückgekehrte Otto und wir waren froh zusammen.
—
Ganz irrig schreibst du mein Verzögern der Autobiographie
einer Ab-
135,1
neigung vor einer unangenehmen
Vergangenheit zu; umgekehrt liegt
mir auch meine dürftigste
in einer magischen Jugendbeleuchtung; nur
mein Abscheu vor
Erzählen, meine Gleichgültigkeit gegen mein Ich als
solches
und mein Eifer, Neues zu schaffen, hindern mich an der zu leichten135,5
Bearbeitung eines schon fertigen Stoffs. —
[Schluß fehlt]
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 4. September 1821. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_208
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
SiglenH: Slg. Kippenberg Nr. 3135. 2 S. 8°, DLA, Marbach (Schluß) (für die Textkonstitution nicht berücksichtigt). J: MaxRichter Nr. 12. 134,16 zu lesen geben] aus zu zeigen 20 Göthen] aus Göthe 22 Zum Ersatze aber] aus Dafür 31 ankomme] aus erfolge 135 , 3 einer] aus der 6 Bearbeitung] davor gestr. Arbeit
134 , 20–22 Goethe: Max hatte im Brief an J.P. IV. Abt., VIII, Nr. 87 geschrieben, imWest-östl. Divan sei J. P. mit spöttischer Miene geschildert; vgl. 64,17f., 74,31f.; das Blättchen enthielt vermutlich Goethes Lob der Levana,s. Bd. VI, Nr. 871 u. 876†. 34 Otto hatte seine Münchner Stellung wiederaufgegeben; vgl. 128,3f. 135,1f. Autobiographie: Max hatte anEmma geschrieben, er werde immer danach gefragt und gebe dann alsEntschuldigungsgrund, den er einmal vom Vater gehört, an, daß Persönlichkeit (?) und Erinnerung an trauriges Schicksal ihn davon abhalte. Der Schluß des Briefs, jetzt im DLA, Mar bach, lautet: Deine Briefe machen mir wie immer, ächte Vaterfreude und jetzo auch deine Handschrift dazu. — Die Jahre nehmen [ verb. in mehren und wiederhergest. ] gar nicht die Lust, Bücher zu schreiben, aber wol die zu Briefen. — Bleibe froh und gut! Dein treuester Vater Richter. Adr. auf der Rücks.: An meinen Sohn Max Richter.