Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 20. Dezember 1821.
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Erst heute erhielt ich, höchstgeschätzter Freund, Ihr werthestes vom
9ten November; und eben war der
Aufsatz für das Morgenblatt voll-
endet. —146,15
Nach der ziemlich nahen Vollendung des dritten Bandes des
Kometen werd’ ich sogleich mein wichtiges Werk über die
Unsterb-
lichkeit der Seele — von welchem das
Kampaner Thal nur das Thal,
nicht die Höhe gibt — zu schaffen anfangen. Nur die, den
großen
Anstrengungen ungünstige Winterzeit konnte mich
von einer Arbeit146,20
zurückhalten, deren dreißigjährige
Vorbereitungen in Brennpunkte
zusammengedrängt, für so
manche nasse oder dunkle Augen ganz neue
lichte Stellen und
Reiche im zukünftigen Lande des Seins zeigen werden.
Nicht
die Bibel, sondern der rechte Blick ins All tröstet und kräftigt;
nur aber für dieses Leben nicht
ganz, durch welches hindurch wir ein146,25
theuerstes Wesen
unwiederbringlich entbehren müssen. Alle Güter,
sogar Ehre
und Tugend, können — wenn verloren oder entrissen — doch
wiedererkämpft werden; aber ein geliebtes Herz bekomm’ ich nicht eher
wieder als wenn meines steht; und darum die immer peinlicher
wach
sende Sehnsucht.146,30
Meinen innigsten Antheil an Ihrem Verluste, mein guter Cotta, hab’
ich hiemit ausgesprochen.
Gott wende von Ihnen im neuen Jahre alle Aehnlichkeiten des alten
ab und tröste Sie durch Ihre Kinder!
N. S. Vor den — im Taschenbuche ziemlich reichlichen — Druck-
147,1
fehlern bewahre doch ein rechter
Korrektor den beiliegenden Aufsatz,
worin ein kleiner Fehler großes Misverständnis ausbreiten
würde. Ein
Exemplar des Abdrucks bitt’ ich Sie mir
gelegentlich zu übermachen.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 20. Dezember 1821. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_234
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Cotta-Archiv. 2½ S. 4°. Präsentat: 27ten (Dec.), [beantw.] 29 Jan. K (von Emmas Hand): Cotta d. 20 Dez. i: Beilage zur Leipziger Zeitung, 1. Sept. 1881, Nr. 70. J: Cotta 2,524×. B: IV. Abt., VIII, Nr. 133. 146,17 sogleich] davor gestr. an H 19 gibt] aus ist H den] aus meinen H, meinen K 20 konnte] aus ließ H 21 Vorarbeitungen K 25 ganz] nachtr. H 27 wenn] nachtr. H
Mit dem Aufsatz „Die Anbeter des Luzifers und des Hesperus“, der im Morgenblatt v. 1.—7. Jan. 1822, Nr. 1—6, erschien. Cotta hatte kondoliert und zugleich den Tod seiner Gattin angezeigt.