Von Jean Paul an Wilhelmine Uthe-Spazier. Bayreuth, 29. März 1822.
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Ich bringe eine schriftliche Bitte, für deren Erfüllung ich Ihnen im
künftigen Monat mündlich Dank sagen will. — Im April will
ich das
innen und außen schöne und reiche Dresden recht
genießen, das ich vor
vielen Jahren in der Begleitung der Frau v. Berlepsch und des Regen-
wetters mehr verloren als gefunden
habe. Ach ich brauche jetzo viel,160,20
nicht um zu
vergessen — was nicht möglich ist — sondern um die Er
innerung auszuhalten — — Ein Handwerker wäre mir lieber als
ein
Honorazior, es müßten denn dessen Frau und Töchter
eine Folie für ihn
sein... Verzeihen Sie mir die
Ausführlichkeit meines bittenden Wun
sches. Worauf ich mich aber innigst freue und was ich nicht erst von der160,25
Zufälligkeit des Findens zu erwarten brauche, ist das
herrliche Wieder
sehen Ihrer, denn die
Zeit hat unser Sehen in Wörlitz nicht verlöscht,
nur verschönert etc..... Ich suche in Dresden nur die Musik
— die
Natur, nämlich das Außer-Dresden — und liebende Menschen;
aber
die Schreib- und Kunstmenschen nicht. — In mir, oder
an mir hat sich160,30
viel verändert; die Zeit hält den
wunden Menschen für einen Marmor
block
und schlägt scharf Stücke nach Stücken von ihm herab — und
wär’ es die Gestalt eines Sohnes — bis sie ihm eine neue Gestalt ge-
geben. Wäre man nur von Marmor!
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Wilhelmine Uthe-Spazier. Bayreuth, 29. März 1822. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_268
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
Faksimile des Schlusses (von 160,30 In an) in der 1844 in Rußland erschienenen Anthologie aus Jean Pauls Werken (Bibliogr. Nr. 677), an der also vermutlich Richard Spazier beteiligt war. K 1 (Konzept): Laura Kallenberg, Schachen b. Lindau. K 2: Minna Spazier d. 29. März. i: Wahrheit 8,302×. A: IV. Abt., VIII, Nr. 153. 160,21 was nicht möglich ist] aus denn das ist nicht möglich K 2. — K 1 hat noch folgende Notizen: Nach den Kosten frag ich nichts — ganz altväterlich, folglich bequemes Kanapée — nicht Parterre — häusliche Familie — Garten — nicht mitten in der Stadt, nahe an einem Spaziergang — nicht alle Bedingungen nöthig — Würzburg [vgl. 161, 11f.] — Musik und Natur — Aufwartung — Kaffee und Bettmachen — [gestr. 1 Stube — Schlafkammer] — Hund — im April — Stuttgart, München, Erlangen, Kanapée das Hauptmöbel (dafür kann man den Spiegel weglassen) ... Tieck — [gestr. je altväterischer, desto lieber].
J. P. war im Mai 1798 mit Emilie von Berlepsch in Dresden gewesen (s. Br. III, 69ff.), im Juni 1800 mit Minna Spazier in Wörlitz (s. Br. III, 373). Aus A und Minnas folgendem Brief (an J. P. IV. Abt., VIII, Nr. 154) ergibt sich, daß J. P. geschrieben hatte, er wünsche nur drei Personen in Dresden anzutreffen, Frau von Ende, Frau von der Recke und Tieck.