Von Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 15. Oktober 1822.
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Meine Karoline! Dein Donnerstags-Briefchen — das erst den Sonn
tag 〈vorgestern〉 ankam — erquickte mich durch dein schönes
Leben
mit Odilie. Ein solches und
so nützliches hätte sie von mir nicht bekom-
205,5
men können; und ich danke Gott für
meine Abänderung. Auch du hast
doch jetzt eine Art Dresden —
wenn nicht mehr; da ich ohne Kind
dort war und ohne Ruhe. — Ich willige gern in alles ein, was
zur Kur
ihr an Zeit unentbehrlich ist. Wir müssen also noch
mehr Zukunft ab
warten. Nur ist das
Reisen in Wintertagen so mißlich. Auch du sorge205,10
bei
der Rückreise mehr und recht für jede Sicherheit, der kurzen Tage
wegen; und fahre von Würzburg nicht in Einem Tage nach Bamberg
und theile die Reise in ähnlichere Hälften. — Ich lebe ohne
Gesellschaft
so still-dumm für mich fort. Emanuel hat mich noch nicht besucht; und
ist nach Döhlau. — Das Bitterwasser wirkt noch immer gut
auf meine
205,15
Gesundheit nach und ersetzt vor der Hand den
Aderlaß. Bekomm’ ich
vollends meinen verschriebnen Puchelt: so werd’ ich keinen persön-
lichen brauchen. — Komme du mir nur
gesund zurück: so wollen wir in
diesem Herbste ein froheres
Leben gewinnen als ich früher von jenem
erwartete. Schreibe
mir aber nie das Herz-zerschneidende Wort deiner205,20
„Entbehrlichkeit“. O Gott, was hätt’ ich denn im Leben, wenn diese
da wäre? Denn ich spreche vom Leben des Gemüths; eine andere
ist die
körperliche für die Wirthschaft, welche Emma — freilich nachdem du
die Uhr oder Maschine aufgezogen — gut genug fortführt. E[mma]
entbehrt übrigens gar keine geselligen Freuden, vielmehr
gewinnt sie205,25
daran. — Die Magd ist ordentlich. — Frage
doch nach der rechten
Aufgabzeit der Briefposten, damit du
mir nicht mit den fahrenden
Posten zuschickst. — Otto und
Amöne grüßen dich. — Die Welden
sind voll alter Liebe gegen uns. — Herze meine theuere Odilie recht in
meine Seele hinein. — Grüße den guten Heine und Auguste und die
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edle Falk. Lebe froh fort,
liebes Herz!
Zuweilen denk’ ich bei Od[iliens]
Bleichheit an ihre verschluckte
Nadel. Sie hat doch nirgend örtlichen Schmerz?
Bringe der Magd etwas mit; und fast wünsch’ ich, auch der Schwa-
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bachers Tochter, da
man sonst diesen Leuten gar nichts geben kann.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Caroline Richter. Bayreuth, 15. Oktober 1822. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_341
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 4 S. kl. 8º. B: IV. Abt., VIII, Nr. 208. A: IV. Abt., VIII, Nr. 211. 205,6 Auch] nachtr. 7 jetzt] danach auch 14 -dumm] nachtr. 27f. den fahrenden Posten] aus der fahrenden Post
Angekommen 19. Okt. mit einem Brief von Minona Spazier. Karoline hatte geschrieben, Odilie müsse wenigstens noch bis Dezember in Würzburg bleiben, da sie noch bei weitem nicht geheilt sei. „Die Überzeugung meiner Entbehrlichkeit [in Bayreuth] macht mir das Entferntsein leichter, und gewis ist es nur in Deiner Einbildung, daß Du Dich einsamer fühlst. Alles wird sich bemühen Dir Aufmerksamkeiten zu erzeigen, und so gewinnst Du nur.“ (Vgl. 7, 1–6.) 205, 15 Bitterwasser: s. 209, 5. 17 Puchelt: s. Nr. 347†.