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Korrespondenz

Von Jean Paul an Friedrich Köppen. Bayreuth, 10. März 1823 bis 27. April 1823.

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Baireut d. 10. März 1823

Mein vortrefflicher Köppen! Aus dem anfänglichen Blättern in Ihren Briefen wurde — ungeachtet der vielen Bücher um mich her und wider die Gewohnheit, immer das Geborgte zuerst zu lesen — ein vollständiges Lesen, den Anfang ausgenommen, der warten mag, bis ich in der Offenbarung eine einzige höhere als historische Wahrheit oder etwas zum Aufschluße des ungeheu[e]rn Welträthsels antreffe. Am meisten hat mich Ihr vierter Brief erquickt, sogar mit seiner Kühnheit, ob Sie gleich dieselbe metaphysische Unvorstellbarkeit eben so gut gegen jedes Kausalverhältnis und jede Veränderung überhaupt richten könnten als gegen Anlagen u.s.w.

d. 27ten Apr.

Länger soll meine Sünde und Undankbarkeit nicht dauern. Erbärmlicher Weise paßt’ ich bisher mit dem Briefe auf eine Gelegenheit, die Ihnen zugleich den dritten Band des Kometen mitbrächte — und noch pass’ ich. So geh’ ihm wenigstens der Brief voraus. — Der Sieg oder die Waffe Ihres trefflichen Werks liegt nicht in der — ja so oft gemis brauchten — Briefform oder auch im Abwechsel, sondern in einer doppelten Individualisierung, noch abgerechnet Klarheit, Lebendigkeit und Präzision des Ausdrucks; nämlich in der kleinern in Bezug auf Sie selber, z. B. bei der Landschaftmalerei, und in der größern, daß Sie an irgend einem bedeutenden Buche oder Faktum wie an einem Knochengerippe Ihr lebendiges Fleisch und Blut ansetzen und ihm einbauen; etwa (nur weniger polemisch) wie Aristoteles und Lessing zu einer Unter suchung immer einen Gegner sich suchten. Freilich gehört zuerst ein Polyedrum von Geist dazu, wie Ihres, das Malerei, Welt, Politik, Metaphysik und alles zeigt. — Kurz alles, was Ihrem Werke etwa noch fehlt, sind — Bände, der dritte, vierte etc. etc.; auf Einbände vom Publikum können Sie rechnen.

Ich möchte Ihre Meinung über den von mir so sehr verehrten Her bart erfahren. — Statt des Kometen, der mir jetzo gerade am leichtesten ginge nach der Sonnennähe hin, setz’ ich das Kampanerthal fort oder fange vielmehr dessen Bergketten an. Haben Sie meine Vermählung der 2 höchsten Mächte etc. gelesen? — Küssen Sie Ihre mir so liebe Gattin recht oft in meinem Namen; wär’ ich selber in Landshut, würd’ ichs doch noch öfter thun. Es geh’ Ihnen wohl! — Nach meinem Schweigen hab’ ich leider wol nichts zu hoffen als — Ihres.


Ihr Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Friedrich Köppen. Bayreuth, 10. März 1823 bis 27. April 1823. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_371


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 375. Seite(n): 221-222 (Brieftext) und 402 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin acc. ms. 1928. 95 (derzeit BJK). 4 S. 8º. K: Köppen in Landshut 27. Apr. B: IV. Abt., VIII, Nr. 238. A: IV. Abt., VIII, Nr. 253. 221,28 oder etwas] nachtr. H 222,2 könnten] aus können H 10 Individualisierung] aus Individualität H 13 wie] als K 18 Werke] Buch K 19 auf bis 20 rechnen] für Einbände wird das Publikum schon sorgen K 23 nach der Sonnennähe hin] in der Sonnennähe K

Köppen hatte den 2. Band seiner „Vertrauten Briefe“ (s. 94, 8ff.†) gesandt in der Hoffnung auf „kein mißfälliges Urtheil“ (dahinter von J. P.: Das günstigste fäll’ ich). Der vierte Brief dieses Bands handelt über „Philosophische Systeme“, der dritte bei Gelegenheit einer Schweizerreise über Landschaftsmalerei.