Von Jean Paul an Franz Gottfried Weber. Bayreuth, 13. April 1824.
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Für den Mai — in diesem Jahre vielleicht der einzige genießbare
Monat — ist meine Reise nach Darmstadt entschieden, das immer
stärker magnetisch mich zieht durch Gegend, Musik, Theater
und254,25
Menschen. Und die gütige Einladung in Ihr Haus
ist freilich ein freund
schaftlicher Pol
mehr. Nur folgen darf ich diesem nicht. Ein Sechziger
bedarf
bei seinen vielen eigensinnigen Bedürfnissen so viele Freiheit,
daß er damit fremde stören muß. Sie werden aber genug für
mich thun
— beinahe so viel als wenn Sie ein Zimmer Ihres
Hauses öffneten —254,30
wenn Sie im Vorbeigehen sich nach
einem engen St. Marino-Stübchen
für mich umsehen, wo ich als Republikaner lebe und herrsche
und bezahle
und keine Möbeln habe als ein altes Kanapée und
ein gutes Bett und
eine unscheinbare Aufwartung. Und kaum
dieß ist so nothwendig vor
meiner Ankunft, wenn man in Darmstadt einige Wahl unter den
254,35
Einsiedlerzellen haben kann. Ihre Güte möcht’ ich
mir für andere Dinge255,1
aufsparen, z. B. für den Zugang zu
Büchersammlungen aus dem Ende
des 17. Jahrhunderts und dem
Anfange des 18.
Die heilige „Cäcilia“ will ich, sobald und wo ich kann, anzubeten
suchen und der Heiligen ein Votiv-Etwas ins Ohrläppchen zu
hängen255,5
wagen, wenn das Etwas gemacht ist.
Ich freue mich auf Wiedersehen und Wiedergenießen. Ich grüße
dankend Ihre so gütig mich einladende Gattin.
ergebenster255,10
Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Franz Gottfried Weber. Bayreuth, 13. April 1824. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_427
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: Hofgerichtrath Weber in Darmstadt 13ten Apr. *J: Nord und Süd, 127. Bd. (1908), S. 68 (nach der damals im Besitz des Ministerialrats Weber in Darmstadt befindl. H). B: IV. Abt., VIII, Nr. 282. 254,28 eigensinnigen] eignen K 29 fremde] so K, Fremde J
Weber hatte J. P. eingeladen, wenn er nach Darmstadt komme, bei ihm zu wohnen, und schüchtern noch einmal gefragt, ob er für die „Cäcilia“ nicht doch eine Kleinigkeit geben könne, einen Streckvers oder ein paar Aphorismen. 255, 7 Wiedersehen: wo hatten sie sich schon gesehen?