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Korrespondenz

Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 13. Oktober 1824.

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Baireut d. 13. Okt. 1824

Meine gute Renata! Ob ich gleich im vorigen Jahre auf Ihre Bitte geschwiegen: so thu’ ich doch jetzt selber eine an Sie. Ich schickte Ihnen Katzenbergers verlangte Badereise nicht, weil sie fast ganz für den Scherz geschrieben ist und nur einige kleine Aufsätze mehr Ihren Wünschen und Gefühlen zusagen. — Übrigens schreib ich jetzt immer weniger Briefe, je mehre ich bekomme; Alter und Arbeit legen Schweigen auf.

Seit unserm letzten Sehen hat mir der Himmel Schmerzen gegeben, über die ich nicht sprechen kann und die die Zeit nur verdoppelt, nicht nimmt. — Kleinere Leiden machen mir meine Augen, wovon das linke fast staarblind ist und theilnehmend das rechte nur durch Hohlbrillen mir zu lesen und zu schreiben erlaubt. Vor 2½ Wochen schrieb ich daher an den Salinendirektor von Reichenbach um 8 verschiedne Brillen zur Auswahl; noch aber schweigt er. Ich bitte Sie nun, Gute, ihn über den Empfang meiner Bitte und über die Möglichkeit ihrer Erfüllung befragen zu lassen — und durch Ihre gütige Nachricht mich von meinen Zweifeln zu erlösen. Denn ich lebe jetzo sehr in der Nacht, sogar am Tage.

Seit anderthalb Jahren ist — Emanuel von mir geschieden ohne meine Schuld .. Nur zuweilen besucht ihn meine Tochter. Trennung — eigentlich Verschiebung der Freundschaft durch den Tod ist weniger schmerzlich.

Wird Ihnen zuweilen der Herbst des Lebens zu düster, so erfrischen Sie Ihr Auge an dem heitern Frühling Ihrer Kinder wie ich.

Herzlichen Gruß an Ihren thätigen freundlichen Mann. Es geh Ihnen beiden wohl!


Ihr alter Freund Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 13. Oktober 1824. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_454


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 458. Seite(n): 268-269 (Brieftext) und 418 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin acc. ms. 1901. 12 (derzeit BJK). 4 S. 8º; grünes Papier. K: Renate Otto 13 Okt. <Mittwoch> J: Täglichsbeck Nr. 41. B: IV. Abt., VIII, Nr. 258. 268,29 sprechen] reden K 31 theilnehmend] nachtr. H 34 nun] aus daher H 269,2 jetzto H am Tage] bei Tage K 4 Trennung bis 6 schmerzlich.] Die Trennung der Freundschaft durch Tod — die eigentlich nur eine Verschiebung derselben ist — wäre weniger schmerzhaft. K 8 an dem] am K

Renate hatte gebeten, ihr die neue Auflage des Katzenberger zu überlassen, über die sie Böttigers Anzeige in der Abendzeitung (9. Juli 1823, Wegweiser Nr. 55) gelesen habe. 269, 3 Emanuel: vgl. zu Nr. 322. 4 Tochter: Emma, die besonders innig an Emanuel hing, vgl. 249, 15f. und Ernst Förster, Aus der Jugendzeit (1887), S. 360.