Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 5. November 1824.
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Diktiert
Ich fange bei Ihrer Frage an. Ich rathe Ihrem lieben Christian,271,15
wenn er nicht ein Flötengenie ist, schon wegen der Ueberzahl
der Flöten
spieler, das Streben nach
einer Stelle in einer Hofkapelle, besonders
wegen seines
Fußgebrechens, ab; aber desto mehr das Studium der
Theologie
an. Die jetzige Minderzahl der Theologen verspricht ihm eine
frühe Beförderung. Auch kann er sich das Warten bis dahin durch eine271,20
Hofmeisterstelle erleichtern, für welche sein Flötenspiel
noch dazu eine
neue Empfehlung wäre. Die Universität
Landshut erleichtert Ihnen durch
ihre Nähe Sorgen und Ausgaben. Auch ein Stipendium ließe
sich, durch
die Darstellung seiner kranken Jugend, wohl
erringen. Endlich hat er
durch Anlage und Krankheit, soviel
ich mich erinnere, eine gewisse271,25
Zartheit und
Innigkeit des Gemüths gewonnen, welche ihn am schönsten
zum
Prediger bestimmen. Wählen Sie nun! —
Nun komm’ ich zu meiner Frage. Den von Reichenbach empfohlenen
Optiker Niggel bat ich vor drei Wochen, mir 2 Brillen zu
schleifen.
Ich bitte nun Ihren so gefällig-helfenden Christoph, sich
bei dem Optikus
271,30
zu erkundigen, wann ich gewiß die Gläser bekomme,
und mir überhaupt
einige Nachrichten von seinem
Geschäfts-Charakter zu geben.
[Eigenhändig]
Die Hand meiner guten Odilie, wodurch ich Ihnen
(des blendenden Postpapiers wegen) schreibe, sei Ihnen auch
ein
Zeichen, wie nöthig mir Gläser-Beistand ist. Ich
grüße herzlich Ihren272,1
guten Christoph. Es gehe Ihnen allen
wohl!
Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 5. November 1824. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_460
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
SiglenH (bis 271, 32 von Odiliens Hand): Stadtbibliothek München. 1½ S. 8º; 4. S. eigenh. Adr.: Madame Renate Otto geborne Wirth, München. Am Maxthore. Frei. K (nur Überschrift): Renate Otto und Optikus Niggel d. 6[!] Nov. J 1: Täglichsbeck Nr. 42. J 2: Süddeutsche Monatshefte, 32. Bd. (Sept. 1935), S. 762. A: IV. Abt., VIII, Nr. 314. 271,13 Nov.] von J. P. verb. aus Oktober 32 Geschäfts] von J. P. nachtr.
Christian: Renatens jüngster Sohn, geb. 1807. Niggel: Renate schreibt in A, sie habe den phlegmatischen Optiker sogleich zur Eile angetrieben.