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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emanuel Osmund. Bayreuth, 5. Januar 1825.

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[Von Karoline Richter und von Jean Paul eigenhändig]

[Von Jean Paul eigenhändig] [Von Karoline Richter]
Baireuth den 5ten Januar 1825

Betrachten Sie mich blos als das Auge und die schreibende Hand meines Mannes, theurer Emanuel, der drei Bitten an Sie hat, und der kranken Augen wegen, die ihm am Morgen nur wenige Stunden zu seinen Arbeiten dienen, jetzt oft durch Einen von Uns Briefe schreiben läßt. Nachmittags schreibt er nie, und erlaubt daß man ihm vorlese. Durch Ihre liebe Gattin haben wir gehört daß es Ihnen wohl gehe. Dem Himmel sei Dank dafür, denn Reisen jetzt in dieser Jahreszeit ist gewis etwas sehr Gewagtes. Möchten doch alle Ihre Unternehmungen zu Ihrem Glück und zu Ihrer Freude ausschlagen!

Sie wissen das Anliegen mit der Brille, und sind vielleicht selbst mit Nigl deshalb in rapport gekommen. Er hat kurz nach Ihrer Abreise von hier, meinem Mann durch die Renata das leere Futteral ohne die schon bezahlten Brillengläser geschickt. Es war eine arge Täuschung, da mein Mann nach jeder Erleichterung seiner Augen beschränkung hascht wie ein Blinder nach einem Lichtstral. Nun bittet er Sie von Nigl die zwei verlangten Gläser — das Eine von Nro 44 oder 45 oder 46 — das Andere von der Nr. 52, oder 53, oder 54, lieber wieder zu bezahlen, und es gütigst mitzubringen.

Die zweite Bitte ist: seine zwei Lampen und Nürnberger Dochte, Alles will ihm nicht gut genug leuchten. Er bittet Sie daher ihm ½℔ Wallrad Lichter die in Nürnberg nicht zu haben sind, zur Probe mitzubringen.

Die dritte Bitte betrift die Zukunft der Witwe Kanne. Amöne wünschte daß mein Mann an Schmidt, dem [!] Beichtvater der Königin zur Auswirkung einer Pension schriebe, allein mein Mann ist ihm seit einiger Zeit entfremdet, und Ihre mündliche warme Darstellung von der ganz eigenen körperlichen Hülflosigkeit der armen Frau würde den guten Hofprediger stimmen eine hernach einzureichende Bittschrift der Witwe von ganzer Seele gern seiner wohlthätigen Königin zu empfehlen. Zwar bekömmt sie gewis die gewöhnliche Pension einer Professors Witwe, und ihre Kinder den herkömmlichen Antheil, allein man weiß wie gering der Maaßstab ist, nach dem man geht. Es war doch so ein aus gezeichneter Mann und von den Mit-Gläubigen seiner Überzeugungen so sehr verehrt. In München leben so viele, wie G. R. Rouge, la Rosée, Franz Bader — man sollte etwas Außerordentliches auch für die Erziehung der Kinder, zur Erleichterung der armen zarten, nervenschwachen Mutter thun, die gewis nicht lange mehr lebt.

Nachschrift

Mein guter Emanuel! Mögen Ihnen Ihre Geschäfte besser gelingen als mir meine! Abends kann ich gar nicht schreiben; am Morgen hab’ ich kaum 3 Stunden zum Arbeiten. Abends hilft mir meine liebe Karo line als treffliche Vorleserin so wie die Kinder. — Verzeihen Sie die Bitten der Noth. Die beiden ungleichartigen Brillengläser brauchen keine Fassung. Bisher bekam ich jede Augen-Hülfe um 4, 6 Wochen später; Gläser, Dochte, Lampen etc. etc. Durch Ihre Güte bin ich nun eines festern Zeitpunktes gewiß.

Kommen Sie glücklich bei (wahrscheinlich schon) hellern und kühlern Wetter zurück!


Ihr Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emanuel Osmund. Bayreuth, 5. Januar 1825. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_468


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 472. Seite(n): 275-276 (Brieftext) und 421 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: SBa. 4 S. 8º (3 S. von Karoline, 1 S. — die erste! — von J. P.). A: IV. Abt., VIII, Nr. 322. 275,30 5ten] von J. P. verb. aus 6ten 276,39 schon] danach gestr. fest

Nach A holte Emanuel die Brillengläser von dem „einfachen, unbeholfenen, herrlichen Menschen Niggel“ ab und sandte sie mit der ersten Briefpost nach Bayreuth. 276, 15ff. Kanne war am 17. Dez. 1824 gestorben; vgl. 232, 28f.†. Schmidt: vgl. Nr. 74 und 107.