Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 11. September 1825.
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Sie steigen, uns allen willkommener Cotta, aus Ihrem Wagen
nicht
heraus, sondern hinauf, auf ein Flötzgebirge oder
doch Todtliegendes288,10
von Schreibereien, in das ich auch
mein Steinchen mit eingeschoben.
[Diktiert]
Seit Jahren arbeite ich an einer Ausgabe meiner sämmt-
lichen Werke, welche von so vielen
Deutschen bei der Zerstreuung,
Theurung, Ungleichheit, ja Unsichtbarkeit vieler meiner
Bücher längst
gewünscht und gefodert wurde. Seit kurzen
haben drei große Buch-
288,15
handlungen sich zur Übernehmung
derselben erboten; aber an die größte,
nämlich an die Ihrige
komme ich natürlich zuerst mit meinen Fragen
und Antworten.
In der künftigen Ostermesse 1826 erscheint unabänder
lich die erste Lieferung derselben. Zum Glück begünstigen
mich außer
äußerer mechanischer Mithülfe meine verbesserten
Augen, bei denen288,20
dem Lichtraub des grauen Staars —
dieses schlimmsten Gevögels, das
kein Paradies-Vogel sondern
ein Paradies-Räuber ist — durch die
Bella-donna einige Gränzen gesetzt wurden. Ich zögere nicht
länger,
da zumal in Baden literarische Leichenräuber
andrer Art nur auf das
Zuschließen zweier Augen warten, um eine ganze Familie zu
bestehlen.288,25
Daher soll die Ausgabe in
vierteljährigen Lieferungen, jede zu 5 Bänd
chen, von Ostern an, erscheinen. Die sämmtlichen Werke werden
nach
meinen besten Berechnungen in 24 Alphabeten, in
Bändchen so stark
wie die der Levana, bestehen. Jede
Lieferung würde zugleich Romane
und Erzählungen und satyrische Aufsätze oder auch
didaktische enthalten.288,30
Jetzo, alter Freund, entscheiden Sie, wieviel Sie mir für
die Ausgabe in einer ganzen Summe oder auch für jeden
einzeln[en]
Bogen, bewilligen wollen. Kärglich genug waren
meine
frühern Belohnungen, z. B. 200 Thlr. für den Hesperus, ½ Lsdr.
für den Bogen der Teufelspapiere, 2 Lsdr. für den Bogen des Sieben-
288,35
käs. Von Ihnen allein datiert
sich die loyalere Behandlung meiner
Werke und mögen Sie so
mit mir endigen wie Sie mit mir angefangen!289,1
Ich entwarf Ihnen
nur die Generalkarte, auf welche, wenn die Grund
steine des Verlags gelegt sind, dann leicht die Spezialkarte
nachfolgt.
Noch ein wichtiger Punkt ist, bei der Kürze der
Zeit, daß Sie die Ihnen
angeborene Eile in Antworten auch mir
diesmal zu Gute kommen289,5
lassen.
[Eigenhändig]
Meine Selina (über die Unsterblichkeit) wächset indeß
unter diesen Geschäften zur Reife gar auf; 300 Quartseiten
sind schon
ganz vollendet.
Leben Sie so froh wie Sie thätig leben. Grüßen Sie von mir doch289,10
einmal Ihre Gattin, welche mit seltenen Kräften des Herzens
und Geistes
Ihr Leben verschönert und belohnt und die harte
Kunststrasse der Ge
schäfte mit Schatten
und Blüten einfaßt.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 11. September 1825. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_496
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H (Anfang u. Schluß eigenh., Mitte von Odiliens Hand): Cotta-Archiv. 4 S. 8º. Präsentat: 16ten Sept., [beantw.] 5 Oct. K (von Emmas, Schluß von Karolinens Hand): An Cotta. Baireut den 11ten Sept. 1825. i: Beilage zur Leipziger Zeitung, 15. Dez. 1881, Nr. 100. J: Cotta 2,526×. A: IV. Abt., VIII, Nr. 348. 288,15 kurzem K 21 dem] der H 27 von Ostern an] zu Ostern K 29 Romane bis 30 didaktische] aus in Romanen und Erzählungen und in satirischen Aufsätzen oder auch didaktischen H 32f. für jeden einzeln] in einzelnen K 289,5 in] im K
288,15 f. drei große Buchhandlungen: vgl. 286, 7†. 23 Belladonna: vgl. 297, 33 u. Nr. 125. 289, 11 Gattin: Cotta hatte sich wiederverheiratet mit Elisabeth Freiin von Gemmingen-Guttenberg, die nach seinem Tode Gattin des Freiherrn von Hügel wurde.