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Korrespondenz

Von Jean Paul an Caroline Richter. München, 17. Juni 1820.

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[Schluß abgeschnitten]

München d. 17ten Jun. 〈Sonnabends〉 1820
Meine theurere Karoline!

Dein am Montage abgesandter Brief kam gestern an. Da Morgen erst die Post abgeht, schick ich meinen durch [Seeligberger]. Zuerst die Geschäftsachen! Warum sollst du nach Ottos Rathe die 500 rtl. deiner Schwester zu dir herbestellen und so Porto, Risiko und Wieder absenden übernehmen? Doch muß Otto seine Gründe haben. Dank’ ihm in meinem Namen recht herzlich für seine so oft wiederkehrende Schreibmühe. — Von Cotta hab’ ich zwei Wechsel auf Augsburg, jeden zu 500 fl., der eine vom 10ten Jun. in 4 Wochen zahlbar, der andere in 6. Frage erstlich Emanuel, was er davon nehmen will; dann Schwabacher; dann Münch. Mein guter Cotta, dem das Verlegen bei Reimer auf eine freundschaftliche Weise wehe thut, hatte gerade um 316 fl. sich geirrt zu meinem Nachtheil. Gib doch seine Briefe Otto. — Meine treffliche Hausfrau bittet dich um das Küchenrezept zum Stollen, der allen un geachtet seines Greisenalters außerordentlich geschmeckt. — Schlichte- groll will mit aller Gewalt mich hier einspinnen durch eine Stelle bei der Akademie, die ich mit einer Besoldung von 1000 oder 1500 fl. sehr leicht haben könnte und in welcher etwa eine Vorlesung jährlich und eine Sitzung monatlich gefodert würde; aber mein Alter — das der Brust nachtheilige Klima — die Gegend etc. etc. sprechen ganz dagegen; am stärksten spricht dafür der Genuß des hiesigen Gelehrtenvereins. — Was soll ich den Kindern mitbringen? — Die Königin sagte dem Herrn v. Mann, ich habe ihr sehr gefallen. Irrig schrieb ich dir neulich über die Tafel; allerdings essen König und Königin an einer Hoftafel, wozu nur Geheimräthe, Präsidenten etc. taugen; die für mich also keine Hoffnung des leeren Raums lassen. In Sanssouci dachte eine andere Königin anders. — Herrliche Sprech- und Singabende hatt’ ich schon bei Schlichtegroll und Yelin; nur reichen sie leider zuweilen über 12 Uhr hinaus. Ich schlug daher schon 2 Thées, noch dazu bei Damen aus (Frau v. Mettingh und Frau v. Schaden); und kam auch noch nicht zu den späten Abenden Lerchenfelds (der mich doch auf Morgen zum Mittag einladen ließ), und ja sogar zu denen meines geliebten Sömme rings, um mich nicht durch Reden aufzureiben. Ich bin hier ganz gesund (ohne Diarrhöe und Brechen) und außerordentlich hungrig; die Brustwunde schwindet täglich mehr. Mir und Maxen schmeckt unser gutes Mittagessen zu 21 kr. wetteifernd. — Gott schenke mir nur zum Reisen schönes Wetter. — Eigentlich spar’ ich hier; nur aber die Zeit nicht. Abends ist eine Milch- oder Mehlsuppe alles; doch trieben wir beide es einmal zu Einer großen Bratwurst mit schlechten Erdäpfeln.

Über Augsburg geh’ ich blos des erträglichern Weges halber zurück. Ich muß den alten Kutscher wiederhaben. Lasse ihms auf einige Wochen voraussagen. Durch Augsburg passier’ ich nur. — Grüße was uns liebt. Barth thut alles Beste für Wagner, so auch Niethammer. Jener reiset seinetwegen selber nach Augsburg. — Möchte doch Gott dir, geliebtes Weib, die Freude eingießen, die du immer an andere austheilst, und möchte sie, wenn sie da ist, nicht so leicht verfliegen!


Dein Richter

Das Wetter ist stundenweise lichter und weniger rauh; und theilt es mir mit. Aber ach, wo ist ein Miedels-Garten?

(Zu Montgelas wollt’ ich schon längst; nur wohnt er auf seinem Gütchen; denn ihm hab ich doch die Pension zu danken.)

Zentner kommt vielleicht an Thürheims Stelle.

[Schluß abgeschnitten]
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Caroline Richter. München, 17. Juni 1820. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_59


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 8. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1955. Briefnr.: 59. Seite(n): 42-43 (Brieftext) und 339 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. 3 S. 4°; am Schluß ein Stück abgeschnitten. J 1: Wahrheit 8,251× (der Schluß aus Nr. 62). J 2: Nerrlich Nr. 191×. B: IV. Abt., VIII, Nr. 40. A: IV. Abt., VIII, Nr. 46. 42,15 Sonnabends] aus Freit. 26 bei] aus von 43,4 Irrig] davor gestr. Fälsch(lich) 7 leeren Raums] aus Raum leer 17 21] aus 22 27 ist] aus war 31 mir] davor gestr. sich

Angekommen wahrscheinlich 21. Juni, vielleicht durch Seeligberger bestellt, vgl. 44, 20 und Bd. VII, 54, 6. Mit einem Brief von Max an die Mutter von Freitag (16. Juni). Karoline hatte um eine Vollmacht „wegen des Richterschen Capitals“ (vgl. 1, 11f.) gebeten, die Troschel aus Berlin von ihr verlangt habe. In A schreibt sie: „Das Geld meiner Schwester gehört ja durch Abtretung mir.“ 42, 23 Cotta: vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), VIII, Nr. 38 (laut Tagebuch am 15. Juni angekommen, als J. P. gerade einen Mahnbrief absenden wollte). 29 Stollen: vgl. 34, 37. 30ff. Akademie: in seinem Reisetagebuch hat J. P. unterm 15. Juni die Gründe für und gegen seinen Eintritt verzeichnet und abgewogen. 43, 7 Sanssouci: vgl. Br. III, 366 (Juni 1800). 11 Frau von Mettingh: vielleicht Sophie Elisabeth, geb. von Bethmann, gesch. de Luce (1774—1862), zweite Gattin des bayr. Oberst und Kammerherrn Peter Friedrich Freiherrn von Mettingh (1758—1833). Frau von Schaden: s. Nr. 106†. 24 Wagner: Karoline hatte geschrieben, Wagner sei bei ihr gewesen, J. P. solle nur dafür sorgen, daß er eine Universitätsstelle bekomme; vgl. 77, 26ff. 32 Vgl. B: „Otto sagt, Du sollst ja Montgelas als den genialsten der dortigen Minister besuchen, der ja damals Deine Pension aushändigte.“ 34 Georg Friedrich Freiherr von Zentner (1752—1835), seit 31. Mai 1820 bayr. Staatsminister.