Von Jean Paul an Caroline Richter. Regensburg, 31. August 1816.
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Am Morgen um 9 Uhr.
Meine geliebte Karoline! Gestern abends als ich mit meinem
guten Oertel vom himmlischen Garten
in Prüflingen zurück kam,
erhielt ich deine köstlichen Worte, die mir noch schöneres
Eden
mitbrachten als das verlassene. Vor lauter Bewegung
schwieg ich84,20
gestern, weil diese auch das Wahreste
nicht richtig ausspricht. Ach
hätt’ ich lieber statt des
blassen Gedankenbildes deine warmen
liebenden Augen vor
mir!
Freitags (den 6ten Sept.) reis’ ich hier ab und komme
Sonnabends
gegen 7 an. Die Kinder können eine halbe Stunde
vorausgehen,
84,25
um zu fahren; damit ich dich dann allein habe. — Käm’
ich wider
alles Vermuthen doch nicht: so setze kein Unglück
voraus, höchstens
etwas sehr Gutes, das sich oft bei Abreisen
anhäuft. — Hier nehm’
ich aus vielen
Gründen den Wagen. — Warum willst du deine
nöthigen Ausgaben
entschuldigen? Ich fürchte blos, du schonest das84,30
Geld
zu sehr. — (Ich schreibe alles durch einander.) — In der künf
tigen Woche schreib ich wieder. — Auf der rechten Post läuft
ein
Brief nur 1½ Tag. Vergiß ja nicht ans goldne Kreuz zu
adressieren. — Meinen guten Kindern kann ich heute nicht
schreiben.
— Stelle Stühle vor die Repositorien, damit keines durch
Umfallen85,1
beschädigt. Alle meine Stuben-Reliquien, den
großen Kasten etc.etc.
lasse mich beim Eintritt finden. — Die
Vorfenster sind noch nicht
nöthig. — Immer heftiger liebt mich
mein Primas; Einen Tag Ab-
wesenheit spüren unsere Herzen. Er umarmt
mich so warm wie85,5
Herder. Deine und der Kinder Gesundheit trinken wir jeden
Abend.
— Der erst verheirathete geheime Rath Posch kann mir nicht
genug
Grüße an deine Stiefmutter auftragen, die er anbetet.
— Ist das vorälteste Bier zu Ende, was ich wünsche: so lasse nur
abziehen. — Wir werden, Geliebte, wieder schöne Tage
verleben.85,10
Die zwei Tage der Rückreise werd ich blos
mit moralischen Betrach
tungen — wozu ich
ein besonderes Buch mir geschrieben, das ich
sonst auch in
B[aireuth]
an jedem Morgen studierte, so wenig du
mir es ansahest — zubringen, um mein geändertes Herz zu
befestigen.
Gegen die harte Unart — die ich ganz von
meinem Vater geerbt —
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Abends mir überall falsche Schatten und Lichter zu
machen, muß
ich besonders ankämpfen. Grüße mir meine beiden
geliebten Freunde
und die Lochner. Ein solches Herz
voll lauter lauter Liebe ohne alle
Nebenblicke hat nur mein Primas. Du sänkest ihm weinend an
die
Brust. — Nun so lebe wol, meine geliebte Seele, und handle
frei85,20
und sorge dich nicht.
Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Caroline Richter. Regensburg, 31. August 1816. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_216
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Goethe- u. Schiller-Archiv. 3 S. 4°; 4. S. Adr.: Frau Legazionräthin Richter, Bayreuth. J 1: Wahrheit 8, 73×. J 2: Nerrlich Nr. 141. B: IV. Abt., VII, Nr. 39. A: IV. Abt., VII, Nr. 41.
Karoline hatte u. a. geschrieben, sie sei zufällig an ihren alten Briefwechsel mit Jean Paul (aus der Brautzeit) geraten und habe ihn mit schmerzlichem Entzücken wieder gelesen: „Der Erfolg war gewiß heilsam für Dich und für mich. Denn die Vorstellung von dem, was Du in mir zu finden hofftest, konnte nur die besten Vorsätze für Dein Glück in mir beleben. Niemals konnte ein Gefühl für einen Menschen reiner und heiliger und glühender sein als meine Liebe für Dich.“ 84, 18 Prüflingen: richtig Prüfingen, Schloß und Park im Westen von Regensburg. 30 Ausgaben: Karoline hatte ein Kleid für Odilie gekauft und gefürchtet, Jean Paul werde es nicht billigen. 85, 7 Der Geheimrat Joseph Maria (nicht Zacharias, wie Ludwig von Oertel ihn, wohl scherzhaft, nennt) Freiherr von Posch hatte am 18. August 1816 die Thurn und Taxissche Hofdame Baronesse Katharina von Strauß geheiratet; s. Nr. 215†. 8 Stiefmutter: die dritte Frau des Tribunalrats Mayer, Henriette, geb. César. 12 ein besonderes Buch: Via recti, s. Wahrheit 7, 228ff.