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Korrespondenz

Von Jean Paul an Alexander I., Zar von Russland. Bayreuth, 9. Februar 1815.

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All erdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und Selbstherrscher, Allergnädigster Kaiser und Herr!

Mitten in der erhabnen Zeit, da Euere Kaiserliche Majestät der Schiedsrichter Europas sind, wie vorher der Befreier desselben, und Sie aus dem Schutzgeiste des Siegs der Schutzgott des Friedens werden, tritt eine kleine Angelegenheit vor Ihren Thron.

Doch wie dem Geiste nichts zu groß ist, so ist der Güte nichts zu klein.

Über fünf und zwanzig Jahre lange hatt’ ich als Schriftsteller für die Musen und die Philosophie gearbeitet, als mir ein einziger deut scher Fürst, der vormalige Großherzog von Frankfurt, im Jahr 1808 eine jährliche Pension von 1000 fl. bewilligte, um den Armgebornen zu unterstützen, dessen Körper blos von seinem Geiste lebte.

Nach der segenreichen Besetzung des Großherzogthums wurde mir von 1814 an die Fortsetzung der Pension vom Generalgouvernement verweigert bis auf höhere Entscheidung.

Werden die hohen Verbündeten, welche für deutsche Freiheit und deutsche Wissenschaft zugleich gekämpft, die fürstliche Unterstützung eines Schriftstellers zurück zu nehmen gebieten, welcher zu einer Zeit für europäische Freiheit geschrieben, wo er seine eigne einem Davoust bloßstellte?

Ich wende mich hier an das Herz Alexanders, da die wolwollende Vorsehung gerade im Jahrhunderte des Egoismus die Menschen liebe auf den höchsten Thron Europas gesetzt.

Ich wende mich hier an Seinen Geist, der Geister beschützt und welcher, da er kein anderes großes Reich mehr zu vergrößern hat, als das größte gränzenlose, das der Wissenschaften, dem Norden auch geistig-längste Tage zu den geographischen geben will.

Möge der Herrscher, dessen Zepter dem Magnete ähnlich ist, welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des Himmels zeigt, die Kühnheit der Hoffnungen verzeihen, zu welchen Er Individuen wie Länder erhebt!

Genießen Euere Majestät lange die einzige dauerhafte Universal monarchie, die durch Liebe — nachdem Sie die hassende und gehaßte gestürzt — und lange weine die Freude vor Ihnen und erst spät die Trauer um Sie!

Baireuth d. 9 Febr. 1815.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Alexander I., Zar von Russland. Bayreuth, 9. Februar 1815. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_25


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Textgrundlage
D: Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954. Briefnr.: 25. Seite(n): 8-9 (Brieftext) und 334 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: ehem. Kat. 14 Henrici (1913), Nr. 384. 4 S. 4°. (Früher im Besitz von Karl Emil Franzos; Faksimile in dessen Zeitschrift „Deutsche Dichtung“, 8. Bd., 1890, S. 56.) K (von Emmas, Schluß von Karolinens Hand) ohne Überschrift. J 1 : A. Michailowsky-Danilewsky, Erinnerungen aus den Jahren 1814 und 1815 (Petersburg 1832), deutsch von Goldhammer, Dorpat 1837, S. 267. J 2 : Archiv f. d. Geschichte deutscher Sprache u. Dichtung, hsgb. von J. M. Wagner, 1. Bd., Wien 1874, S. 87. 8,10 Über fünf] aus Fünf H 26 höchsten] aus hohen H 31 dem Magnete] aus der Magnet H

Gekürzte Wiederholung des unbeantwortet gebliebenen Briefs vom 22 April 1814 (Bd. VI, Nr. 863).