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Korrespondenz

Von Jean Paul an Georg Andreas Reimer. Bayreuth, 10. April 1817.

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Baireut d. 10. Apr. 1817 abgeschickt den 15ten

Auf Ihre Antwort vom 18ten Febr. hätt’ ich — da ich alle Ihre Wünsche erfülle — längst geantwortet, wenn ich nicht erst meine Gefühle bei der Stelle: „sollten wir uns nicht vereinigen, so werd’ „ich dem anderweitigen Druck oder wenigstens dem Vertrieb einer „neuen Auflage etc.etc. mit denjenigen Mitteln zu begegnen suchen etc.etc.etc.“ hätte wollen erkalten lassen. Welcher Fürst könnte oder würde mir 10 oder 15 Bogen neuer Arbeit verbieten oder dem Publikum? Ihre Entschädigung könnte er mir blos gebieten, wenn ich sie ver weigerte. Gesetzt, Sie wären nicht der Mann von Billigkeit, wofür ich und der allgemeine Ruf Sie anerkennen, so brauchten Sie ja nur auf einer unveränderten Auflage oder auf unannehmlichen Bedin gungen zu bestehen: so wären mein Geist und meine Lesewelt unter das merkantilische Interdikt eines Einzelnen gelegt.Wie würde aber dieser Einzelne vor der Welt, die mich liebt, da stehen, wenn ich ihn mit seinem Interdikte hinstellte? — Auch vermengen Sie in Ihrem Briefe Auflage mit Ausgabe. Pr[eußisches] Landr[echt] Th. 1. Tit. 11. § 1012: „Wenn aber eine Schrift in verändertem Formate (was ich aber hier zu günstig für den Autor finde) oder mit Veränderungen im Inhalte neu gedruckt wird, so wird solches eine neue Ausgabe genannt.“ Und dann § 1019: „Können Verf. und Buchhändler sich wegen der neuen Ausgabe nicht vereinigen, so muß erstere[r], wenn er dieselbe in einem andern Verlage herausgeben will, zuvorderst dem vorigen Verleger alle noch vorräthigen Exemplare der ersten Ausgabe gegen baare Be zahlung des Buchhändler-Preises abnehmen.“ Und dieß wären hier 50 Ex. — Jetzo sind in der Vorrede und in den 3 ersten Manipeln (bis S. 132) (exclus. der Blumenstücke) stellenweise an 18 Seiten ausgestrichen und über 68 neue Quartseiten eingeschaltet. — Doch ich will ja meine Gefühle nicht wieder aufwärmen.

1. Der 4te Ld’or bleibt also weg. Nach Abdruck jedes einzelnen Bändchens zahlen Sie versprochner massen das Honorar für dasselbe. (Beiläufig! Nur 7 rtl. pr. foderte ich von Matzdorf in Gold, welches letzte er aber zum Ersparen des Agio abschlug. Ich fand dieß erst in seinen Briefen, da ich aus meinen früher nur Einfälle, und keine einzige kaufmännische Bedingung kopierte.)

2. In die Herausgabe der sämmtlichen Werke nehm’ ich den neuen Siebenkäs auf, wenn ich Ihnen die noch restierenden Vorräthe desselben um die Selbstkosten abgenommen.

3. Zu Ostern 1818 erscheinen alle 4 Bändchen auf einmal; was eigentlich auch mir das Liebste ist; nur glaubt’ ich Ihnen durch Theilung mehr Absatz zu verschaffen.

4. Aber das Langoktav des alten Siebenkäses kann ich nicht aus stehen — der Hesperus ist noch abscheulicher gedruckt — Zu was soll unten der leere breite Rand? Sie nehmen also zur neuen Ausgabe ganz das Format und den Druck wie bei Cotta die neue Levana, neue Vorschule oder das Museum haben. Von diesem kleinen Punkte kann ich nicht abstehen, so gern ich Ihnen jeden großen opferte.

Jetzo melden Sie mir gütig, zu welcher Zeit Sie das erste Bändchen haben müssen und wann darauf das zweite. Ich wünschte, es würde, wie Dobenecks Buch, mir näher gedruckt, damit ich jedem Bändchen bequemer die Druckfehler-Angabe beifügen könnte.

Der übrige Theil Ihres Briefs (über den Buchhandel) hat mich sehr erfreuetDenn mein innigster Wunsch ist eben, daß der Verleger gewinne bei Lotto-Opfern, da der Autor wenigstens den Gewinn der Schaffenfreude hat. und belehrt und beruhigt, wiewol Sie und Perthes die Druckkosten vielleicht zu hoch und zu lokal ansetzen. Leben Sie wol und antworten Sie mir pünktlicher als ich leider dieses mal — denn sonst bin ich so pünktlich wie ein Kaufmann — habe thun können ——


Ihr ergebner Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Georg Andreas Reimer. Bayreuth, 10. April 1817. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_273


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Textgrundlage
D: Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954. Briefnr.: 273. Seite(n): 108-110 (Brieftext) und 375-376 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: DLA, Marbach; ehem. Prof. Ernst Küster, Gießen. 4 S. 8°. K 1: Reimer 10 Apr., ab den 15ten. K 2 (von Emmas Hand): An Reimer 10 April, abgeschickt den 15 Ap. B: IV. Abt., VII, Nr. 49. 108, 17 links oben darüber dick gestr. Endlich [?] nach Aufschieben [aus Verspätung] H alle] davor gestr. beinahe H K 1 19 bei der] aus über die H 29 das merkantilische Interdikt] aus dem merkantilischen Interdikte H gelegt] nachtr. H 109,8 18] aus 16 H 9 68] aus 40 H 12 für dasselbe] aus vor H 13f. welches letzte] aus das H 17 In die] aus Bei der H 21 ist] aus war H 22 verschaffen] aus schaffen H 23 Aber] aus Nur H 28 großen] aus größern K 1 29 opferte] aus zugab H 36f. bei Lotto-Opfern] aus für Lotto-Opfer H 110, 3f. habe thun können] aus gethan H

Reimer hatte in Abänderung von Jean Pauls Bedingungen (in Nr. 256) vorgeschlagen: 1) das ganze Werk erscheint auf einmal zur Ostermesse 1818; 2) die bisherige Druckeinrichtung bleibt; 3) das Honorar ist ein- für allemal 3 Friedrichsdor und wird auf einmal bei Beendigung des Drucks jedes Bändchens entrichtet. Er hatte dazu bemerkt, daß er, da die erste Auflage nicht beschränkt war, nach dem preußischen Gesetz berechtigt sei, beliebig viel nachzudrucken ohne alle Entschädigung oder höchstens gegen Zahlung der Hälfte des ursprünglichen Honorars; daß er aber vorderhand diesen Anspruch fallen lasse. (Dazu bemerkt Jean Paul in einer Fußnote der Abschrift für Cotta (s. Nr. 268): Er verwechselt hier Auflage und Ausgabe. Bei Auflage hat er zum Theil Recht. Es heißt im preuß. Landrecht Th. I. Tit. 11. § 1011: Wenn ein unveränderter Abdruck einer Schrift in eben demselben Formate veranlaßt wird, so heißt solches eine neue Auflage. § 1012 ... § 1019 ... [wie 108, 31109, 6; diese Paragraphen hat sich Jean Paul im Briefkopierbuch vor Nr. 268 notiert] — Dieses mal blieben nach Reimers Angabe wahrscheinlich zu Ostern kaum 25 erste Bände übrig; und über die existierenden 50 2ten und 3ten Bände könnte man noch die Nothwendigkeit der Entschädigung bestreiten.) Er hatte dann ausführlich gegen die von Jean Paul angeführten Angaben von Perthes polemisiert und eine genaue Berechnung des möglichen Gewinns aus der 2. Auflage des Siebenkäs aufgestellt. Die Aufnahme des Siebenkäs in die Gesammelten Werke könne er nur mit der Einschränkung zugestehen, daß der Verleger derselben ihm zu der Zeit, wo der Druck bis zu diesem Werk gelangt sei, die gesamten Vorräte für den Selbstkostenpreis abnehme. Schließlich hatte er noch erklärt: „Sollten wir uns nicht vereinigen, so würde ich dem anderweitigen Druck [dazu Fußnote Jean Pauls für Cotta: Welch ein Unsinn des Unwillens!], oder wenigstens dem Vertrieb einer neuen Auflage des Siebenkäs mit denjenigen Mitteln zu begegnen suchen, welche mir die Gesetze meines Landes gestatten. Sie werden in dieser freimüthigen Äußerung weder Drohung noch Trotz finden, sondern nur das Gefühl eines wolerworbenen Rechts...“ 109, 32 Dobenecks Buch war in Rudolstadt gedruckt worden.