Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 2. Februar 1818 bis 3. Februar 1818.
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170,16
Du Lieber! Alle meine Briefe sind gegen deine vollen nur dürftige
Geschäftbriefe; — und doch kann ich nicht anders. Aber in
Heidel-
berg will ich vor dir stehen
und ein ganzes Pack mündlicher Briefe170,20
an dich
machen. Jetzo mein Durcheinander! — Allerdings werd’ ich
künftig deinem Ohre gemäß öfter sagen: jetzt. Tadle mich nur
überhaupt recht oft; du siehst ja am Siebenkäs, wie ich mich selber
amputiere, operiere, kauterisiere. Sammle ein besonderes
Sünden
register für künftige
„vertrauliche Besprechungen“ unseres zwei170,25
einigen Bundtages. — Es befödert unser gegenseitiges
Postwesen,
wenn ich das Ankommen deiner Briefe bemerke: dein am
24ten Jenner
abgegangner
Brief kam am 29ten hier an; der vom 18ten schon am
21ten. Meine Nase saß am 13ten
auf der fahrenden Post ein und
stieg am 20ten ab. Dein Traum über den Buchdrucker ließe sich für170,30
eine magnetische Einwirkung meines bei euch in der
Nacht angelang
ten Wunsches nehmen. —
Aber, du Seelenguter, wie quält mich
deine Korrektorqual!
Mühsam hab’ ich meine Erbitterung gegen
den
eigennützig-misbrauchenden Engel-Mann unterdrückt. —
In diesem Jahre hab’ ich, eine Druckfehleranzeige für Cotta
ausgenommen, nur nach Heidelberg
geschrieben. — Vorrede und
Noten zu Shakespeare von dir
sind meiner Erwartung fast wichtiger
als die Übersetzung
selber. — An Lotte Schütz in Jena, deren erstes
171,5
und letztes Buch unter dem Titel Lydiens
Kinderjahre durch meine
Hülfe herausgekommen und in deren Erdenleben das deinige
manche
Verklärung gebracht, war gerade den Tag vorher
gestorben, als ich
die letzte Antwort an sie schrieb. Wie
viel hab’ ich dir von ihr zu
sagen! — Nun grüße, grüße,
Heinrich! deine geliebte Mutter, deinen
171,10
geliebten Vater — dich auch — jetzt besonders Hegel und Frau, an
ihr die schönen Augen, an ihm die scharfen — und alles,
was uns
beide liebt!
Richter
N. S. Nächstens kommt das vierte Bändchen. — Wo du Schreib-
oder Auslaßfehler von mir oder Emma findest: da bessere keck.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Heinrich Voß. Bayreuth, 2. Februar 1818 bis 3. Februar 1818. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_372
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Landesbibl. Eutin. 3 S. 8°; 4. S. Adr.: Herrn Professor Heinrich Voß, Heidelberg. d. E. K 1 (nach Nr. 373): Voß 2. u. 3ten Febr. K 2 (von Karolinens Hand): Berlin JP. i (nach K 2): Wahrheit 8, 132×. J: Voß S. 39×. B: IV. Abt., VII, Nr. 85. 170,22 Ohre] aus Rathe H 171,11 an] aus von H 12 Ihr K 1
170,22 jetzt: statt jetzo. 29 Meine Nase: s. Nr. 368. 170, 2 Druckfehleranzeige: s. FB Nr. 28. 5—10 Lotte Schütz: vgl. Nr. 365†. Voß teilt diese Stelle seinem Freunde Abeken in einem Briefe v. 28. Mai 1818 (H: Landesbibl. Dresden) mit und fügt hinzu: „Noch hab’ ich keinen Aufschluß über die Stelle, die Jean Paul mündlich commentiren will. Aber was denkst Du? Nie hab’ ich ihr eine Zeile geschrieben, nie ihr eine literarische Gefälligkeit erzeigt, nie sie gesehen seit unsern Olimszeiten, außer vorige Ostern, wo ich sehr kalt gegen sie war. So fatal Lotte im Leben war, so gut wußte sie doch ihre Worte zu stellen. Und ich halte für möglich, daß Jean Paul, der sie nie sah, nie etwas von ihr hörte als ihre Briefworte, sie als eine Art von Heiliger ansehen mag.“ Bei seinem zweiten Besuch in Heidelberg (Juni 1818) erzählte ihm dann Jean Paul, wie Voß am 29. Juni 1818 an Abeken schreibt, Lotte habe ihn (Voß) heiraten wollen und Jean Paul dabei den Kuppler machen sollen. Vermutlich hatte dies in ihrem versiegelten Brief gestanden. „Er erschrak über das Bild, das ich ihm nun von ihr entwarf. In ihren Briefen, meinte er, habe sie sich anders gezeigt und stellenweis sogar liebenswürdig.“ 11f. Frau Hegels schöne Augen: vgl. 182, 18 und Bd. VI, 281, 1f.