Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 17. Januar 1819.
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Im siebenten meiner magnetischen Gesichte (nicht Gesichter) ist
zu meinem Erstaunen die ganze Satire auf den Ehebruch
ausgelassen,251,5
und dadurch die ganze Stelle von der
Megära unbegreiflich ge-
worden. Schwerlich konnte die Zensur, die
mir das Politische stehen
lassen, an einer Ironie sich
ärgern, die weder mit Ernst, noch mit
persönlichen
Anspielungen (leider! denn sie paßt auf alle Städte)
zu
verwechseln ist. Oder konnte die Redakzion sich eine solche eigen251,10
mächtige Verstümmlung erlauben, ohne ein
Zeichen derselben für
den Leser und ohne Anfrage bei dem
Autor, zu welcher unter dem
langsamen Abdruck Zeit genug
gewesen? Eine Redakzion kann,
wie eine Frau, das Anstößige
nur abweisen, nicht kastrieren; denn
wahrlich sonst wüßte
man ja nicht, wenn man sich einer näherte, in251,15
welcher
Gestalt man darauf der Welt erscheinen müßte. — Mir ist
alles unbegreiflich. Übrigens bleibt mir zur Selberhülfe nichts
übrig als die elegante Zeitung oder sonst eine, in welche
ich das ab-
geschlagne Bruchstück niederlege mit
der Bemerkung seiner ur
sprünglichen
Stelle.251,20
Auf mein beigelegtes Briefchen vom 21ten Dez. hab’ ich von
Ihnen
noch keine Antwort erhalten. Ich bat Sie darin für
meine drei
Arbeiten des vorigen Jahrs um eine Anweisung nach
Frankfurt.
Ich wiederhole meine Bitte um diese, zumal da ich sie einem
hiesigen
Kaufmann zu seiner dortigen Abschluß-Rechnung
schon lange ver251,25
sprochen. Der
Himmel wende die schlimmste Veranlassung Ihres
ungewöhnlichen Schweigens, nämlich Kranksein ab! —
Noch einmal! Um so schmerzlicher empfind’ ich die Weglassung,
da ich blos aus Liebe für Sie alle leichtern Arbeiten
unterbreche
und vertausche mit der schweren monatlangen
für Ihr Blatt, eine251,30
Mitarbeit, zu der mich andere
Wochenschriften vergeblich zu be
reden
suchen.
Leben Sie recht wol und gedenken Sie meiner Bitte!
Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 17. Januar 1819. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_497
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Cotta-Archiv. 4 S. 8°. Präsentat: 20 Jan. 1819, [beantw.] 21. K (von Karolinens Hand): Cotta 17. Jenn. J: Cotta 2, 513×. A: IV. Abt., VII, Nr. 163. 251,3 Höchstgeschätzter] aus Hochgeschätzter H 7 Schwerlich] aus Unmöglich H K 16 man bis müßte] aus sie alsdann einen Autor der Welt erscheinen ließe H 28 Um so schmerzlicher] aus Schmerzlich H
Im Morgenblatt stand in der Überschrift der „Unternacht-Gedanken“ versehentlich „nebst neun magnetischen Gesichtern“. — Die Wiederherstellung der im Morgenblatt ausgelassenen Satire auf den Ehebruch ist aus der Handschrift schon in der ersten Reimerschen Gesamtausgabe erfolgt (Bd. LIX, S. 64f.).