Edition
Korpus
Korrespondenz

Von Jean Paul an Heinrich Voß. Stuttgart, 9. Juni 1819.

Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



Stuttgart d. 9ten Jun. 1819

Endlich (seit dem 7ten abends) bin ich, mein geliebter Heinrich, seit vorgestern in dem Stuttgart, aus welchem Cotta vor 6 Tagen deinen theuern Brief an mich aus zu großer Pünktlichkeit nach Baireut gejagt. Mehr glücklicher Weise hat er sich selber auf eine Woche mit Familie auf sein Landgut davon gemacht und mir dadurch das Wohnen in seinem Pallast erspart, das ich ihm schwerlich hätte abschlagen können. Jetzo ruh’ ich seit heute seelig in Abrahams gemiethetem Schooß, nämlich in zwei Zimmerchen des Kaufmanns Carl Mohr. Himmel! wie erbleicht und verschießt dagegen der König von England, so glänzend und ungemüthlich und theuer der auch für mich gewesen! — Alter, ich sehne mich recht nach deinen letzten Zeilen und beneide meine Frau.

Alles was ich gewiß weiß (lauter verdammte ss etc.), ist, daß du nun auf eine gute, kurze, leichte aber genaue Schilderung von Stuttgart und deren [!] Menschen und Leuten aufsiehest, um zu wissen, wie es mir geht und der Stadt; aber da passe! Danke nur Gott und Haug — die mir dieses gemüthliche Der Engländer würde comfortable sagen; gemüthlich kann er nicht sagen. Zimmer ange wiesen — —

d. 10. Ich weiß nicht mehr, was ich gestern habe schreiben wollen. Dieser Brief soll überhaupt nur das couvert der künftigen Briefe sein; denn meine Frau verlangt jetzo die schleunigsten. — — An meine gute Wirthin daher nächstens. — Du guter Heinrich, warum hast du dir mit der Goldeinwechslung so viele Mühe ge macht? — Dein Fuhrmann setzt dir unzählige Kronen auf so wie dem Truchseß auch. Sein Sohn brachte mich hieher, einer der vollendetsten Menschen nicht im Kutscher- sondern im unteren Stande. — Unter der Menge gehörter Menschen gefällt mir Haug durch seine Gutmüthigkeit am meisten, die überhaupt die guten Schwaben jedem gleichsam ans Herz legt. Heute ess’ ich bei der verdienstreichen Gräfin Beroldingen; und mir grauset halb vor der Fluth von Menschen und Einladungen, in der ich nun mein Ameisenbad nehmen muß. Hätt’ ich nur einen Heinrich neben mir! So aber muß ich einsam ohne Mittheilen empfangen.

Vorgestern begegnete ich der Mutter Paulus auf der Strasse und unser Wiederumarmen war das alte warme. Aber ich bitte dich, schreibe mir, was du dazu sagst, daß ich mich noch bis heute nicht habe zwingen können, Sophie zu besuchen 〈sehen〉? Diese hat das Recht verloren, die Alte wieder zu werden. Tadelst du mich?

Es gibt weiter kein Mittel als aufzuhören; die Zeit drängt. Schreibe nur eiligst.


Dein alter Richter

Herzlich seien die Deinigen gegrüßt!

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Heinrich Voß. Stuttgart, 9. Juni 1819. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_529


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage
D: Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954. Briefnr.: 533. Seite(n): 267-268 (Brieftext) und 432 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Landesbibl. Eutin. 2½ S. 4°; 4. S. Adr.: Herrn Professor Heinrich Voß, Heidelberg. (Poststempel: 10. Jun.) K 1: Voß. 9. 10. Jun. K 2 (von Karolinens Hand): Berlin JP. A: IV. Abt., VII, Nr. 198? 267, 3 die Parenthese nachtr. H 6 Mehr] nachtr. H 8 schwerlich] nicht K 1 19 Haug] aus Hauch H die] aus der H angewiesen] davor gestr. verschafft H 23 jetzo] aus eilig H 34 nehmen] einnehmen K 1

267,24 Wirthin: Frau Koch, vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), VII, Nr. 146. 25 Goldeinwechslung: vgl. 279, 20f. 26 Fuhrmann: Eisenhut, s. 273, 9. 32 Gräfin Beroldingen: s. den folgenden Brief. 268, 1ff. Karoline Paulus hatte in Begleitung Sophies ihren Sohn Wilhelm besucht, der in einer württembergischen Lehranstalt untergebracht war. Am 10. Juni schrieb sie (nach Paulus 2, 311) an ihren Mann, J. P. habe sie am vorhergehenden Tage besucht und „gegen Schlegel gewüthet“.