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Korrespondenz

Von Jean Paul an Heinrich Voß. Stuttgart, 23. Juni 1819.

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Stuttgart d. 23. Jun. 1819

Mein guter Heinrich! Wie schweigst du lange! Du bist ja nicht in Stuttgart wie ich und hast auch nicht wöchentlich zwei starke Briefe an deine Frau in Baireut zu schreiben. Die geselligen Strudel drehen mich hier. Jetzo lies das Durcheinander! Sophie hab’ ich wegen meiner Abendeinladungen nur 1 mal gesehen. Ich höre sogar hier vom Konsistorialprozeß Schlegels. Sie sagt, sie hasse ihn nicht einmal, sondern verachte ihn vielmehr. — Jungs Mspt hast du doch erhalten? Ohne große Durchstreichungen ist es bei allem übrigen Werthe zum Druck untauglich. — Die Huber — mir sehr zugethan — hatte dein Blatt über mich an Cotta gegeben, der es endlich auf mein Begehr wieder vorgefunden und ihr zugestellt. Sie gestand mir Cottas Abneigung gegen dich; ich soll es vorher lesen wegen des zu starken Lobs. Ich lehnte das Lesen ab — weil ich sonst nicht den Druck bejahen könnte — und so deine Arbeit vergeblich bliebe — und rieth ihr, es nur auf deine und meine Gefahr drucken zu lassen. Ich denke aber doch, daß in dir der Freund nicht ganz den Kunstrichter wird verblendet haben. — Schade wär’ es auch, wenn die Dappingsche Arbeit, der eine so lange Anstrengung gewiß großen Werth gegeben, ungelesen unterginge. Könnt’ ich sie wenigstens sehen!Mache doch die begeisterte von mir hier gegrüßte Schwester zur Mittlerin! — Reinbeck und Haug haben mich ganz über Cottas geizige Charakterzweideutigkeit belehrt und bekehrt; und ich finde neue Belege selber dazu in seinem Gesichte und in seinem Gastmalgeben ... Ich habe ihn nach dem ersten Besuche blos so oft besucht als er mich eingeladen, 2 mal. Künftig will ich mein Vertrauen auf ihn, ob es mir gleich bisher nicht geschadet, von der Klugheit hüten lassen. —

Die Gräfin Beroldingen und ihr Mann dazu haben mir mehre Lustpartien und ein großes Stück der vornehmen und Gesandtenwelt gegeben. Das Liebste aber war mir bei ihnen die noch immer schöne Herzogin Wilhelm (mit dem Mann), welche mich schon lange in den Briefen an Matthison liebte und sehen wollte. Aber wie soll ich dir das naive, unbefangne, liebende, springende Sprechen darstellen! Und wie erhitzte sie mit ihrer Lebhaftigkeit die meinige! — Übermorgen fahr’ ich mit dem Grafen Kufstein (aus Wien, ein köstlicher Jüngling) zu ihr nach Stetten. Auch der Herzog gefällt mir. — Matthison geht mit ihr künftige Woche nach der Schweiz. — Er hat mich sehr lieb, noch mehr Reinbeck, bei dem ich jeden Tag offne Hausmannskost fände, wenn ich wollte, und gar der liebe Haug. — Mit dem würdigen Hartmann bin ich oft zusammen. — Auf der nahen Silberburg hab ich die herrlichsten Schreibtische, — wenn ich nur öfter hinauf käme. — Demallenungeachtet ist es doch kein halbes erstes Heidelberg; so seelig kann ich nie mehr werden als mich euere Gegenden — die Männer — die Jungfrauen — die Neckarfahrt — die Thibauts Musik — die Mannheimische — der Rhein und unsere Landfahrten gemacht; nein, nicht halb so seelig mehr. — Das Werk über Stollberg wird als eine Congrev. Rakete durch Deutschland fahren und glühend an der Schlechtigkeit fressen. — Den Empfang deines Geldes hab’ ich dir ja längst geschrieben so wie meinen Wunsch, du hättest dabei deinen Beutel mehr geschont. — Deine Dinte ist sehr erbärmlich. — Drei Deputierte der Studenten aus Tübingen luden mich für den 18ten dahin ein zum Feste: — du begreifst daß ich meinem Vivat nicht entgegen fuhr. — Ich grüße von ganzer Seele deine lieben Eltern; auch Daub, Schwarz, Creutzer, Paulus und Munke — Und dich, lieber Bruder, mit ein Paar Herzen auf einmal.


Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Heinrich Voß. Stuttgart, 23. Juni 1819. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_535


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Textgrundlage
D: Jean Pauls sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 7. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1954. Briefnr.: 540. Seite(n): 278-279 (Brieftext) und 435 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Landesbibl. Eutin. 4 S. 8°. K 1: Voß 23. Jun. K 2 (von Karolinens Hand): Berlin JP. A: IV. Abt., VII, Nr. 198? 278,22 verblendet] darüber gestr. vernichtet H 26 und bekehrt] nachtr. H 279,12 Schreibtische] aus Schreib stuben H 17 gemacht] aus machten H

278,12 Jungs Mspt: vgl. Nr. 532†. 14ff. Therese Huber war J. P. nicht so zugetan, wie er glaubte; vgl. Persönl. Nr. 275f. Vossens kurze Anzeige des neuen Siebenkäs erschien im Literaturblatt des Morgenblatts v. 5. Juli 1819, Nr. 26; s. FB Nr. 42. 279, 18f. Werk über Stollberg: J. H. Voß’ Schrift „Wie ward Fritz Stollberg ein Unfreier?“, die im Herbst 1819 erschien, s. Nr. 589; Heinr. Voß schreibt erst in A ausführlich darüber, hatte aber wohl schon bei seinem Besuch in Bayreuth davon erzählt. William Congreve (1772—1828) erfand 1808 ein Raketengeschoß. 20f. Vgl. 267, 25f. 22—2 4 Vgl. 271 , 29—34 .