Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 20. September 1819.
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Mein lieber Max! Gestern (Sonntags) kam ich hier an und hörte
mit Freuden von deinen Gymnasial-Tropäen und las deine Briefe302,25
mit Freuden über deine Besuche bei allen Merkwürdigkeiten.
Aber
gegen meinen Willen war dein Besuch Augsburgs, so
wie ich dir
den Besuch von Salzburg nicht erlauben kann. Deine Jahre
lassen
dir noch Spielraum genug für die ganze Erde offen; und du
mußt
nicht eine große Freude auf die andere große häufen
wollen. In302,30
meinem dreißigsten Jahre hätte mich schon
eine ganz gesättigt und
beglückt.
Kehre also unmittelbar um und frage Fräul. v.
Barner, die hieher zurück fährt, ob sie die Bitte deiner
Mutter, dich
303,1
mitzunehmen, erfüllen will. Gehe ein Bischen mehr zu Fuße
(nicht
sogleich hinter Nürnberg zu Pferde), denn die
Fußreise war ja dein
Körperzweck. Andere durchlaufen Deutschland und die Schweiz
zu
Fuß und gebrauchen gegen wunde Füße blos Einreiben mit
frischen303,5
Eiern. Bei deiner Durchreise über Landshut
bringe dem edeln
Köppen meinen Gruß und Dank und Preis für seine beiden
letzten
poli[ti]sch-philosophischen Werke.
Zertheile deine Tagreise in kürzere: so brauchst du keinen Wagen
und gewinnst an Gesundheit und Beobachtung. — Deine schöne303,10
Mäßigkeit söhnt mich mit dem Gebe-Übermaß der Mutter
aus.
— Ich freue mich herzlich auf dein Wiedersehen.
Richter
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Max Richter. Bayreuth, 20. September 1819. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_577
Kommentar (der gedruckten Ausgabe)
SiglenH: Germ. Museum, Nürnberg. 2 S. 4°; 4. S. Adr. von Karolinens Hand: An Herrn Studiosis [!] Max Richter in München; abzugeben bei Frau Baronin von Lochner, Hauptmarkt Nro 74. frey. B: IV. Abt., VII, Nr. 214 und 218. 302,27 war] aus lief 29 du mußt] aus man muß (es war Jean Paul wohl eingefallen, daß er gerade selber kurz nacheinander zwei Ver gnügungsreisen gemacht hatte)
Vgl. Nr. 565†. 302,32f. Frl. von Barner: vgl. Bd. VI, Nr. 947, 407,25. 303,7f. Köppens zwei Werke: „Politik nach Platonischen Grund sätzen mit Anwendung auf unsere Zeit“ (1818) und „Rechtslehre nach Platonischen Grundsätzen“ (1819); vgl. die Vorrede zu der Schrift über die Doppelwörter (I. Abt., XVI, 169 , 11—15 ).