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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 4. Juni 1809.

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35,21
Bayreuth d. 4. Jun. 1809

Ich danke Ihnen für Ihre Nürnberger Anweisung.

Hier send’ ich aus einem noch im Juny erscheinenden Buche:
Dr. August Friedrich Schweiggers Nachrichten über die Irren- 35,25
häuser, Kranken- und Pflegeanstalten zu Paris, herausgegeben
mit Zusätzen und einer Nachschrift von Dr. J. G. Langermann,
Leipzig bei Beygang“ die Beschreibung eines Schauspiels von
Wahnsinnigen und für Wahnsinnige aufgeführt, zum beliebigen,
wenn auch abkürzenden Einrücken ins Morgenblatt. 35,30

Mit Mühe hab’ ich — dessen Werke auf dem Nachttische jeder
Jungfrau gefunden werden dürfen — die 2 wahrscheinlich anstößigen
Stellen errathen. Die eine ist in der Rede des Konsistorialis;
streichen Sie also von „Und denkt nicht mancher dichtende Nach
ahmer“ bis „pißt“ durch. Die andere von der Stadtpfarrerin35,35
werde nach beiliegendem Rezept verbessert. Eine neue Lieferung36,1
verbieten mir jetzt meine Geschäfte. — Im Falle der Nicht-An
nahme erbitt’ ich es zurück.


Darf ich einen Mann, der den halben deutschen Buchhandel in
den Händen und auf dem Halse hat, wol um die Mühe ersuchen,36,5
unter den „poetischen Kleinigkeiten“ in der betitelten „Liebessehn-
sucht“ statt „hangt sie sich“ zu setzen: „hängt Liebes Sehnsucht sich
an das Herz“?


Leben Sie wol.



Ihr36,10
Jean Paul Fr. Richter

N. S. Fände die Zensur im Alltagsklub politischen Anstoß: so
streiche man nur aus. Oder gibts einen dritten zynischen Anstoß:
weg damit!


[Beilage] 36,15

Als Gast war im Klub ein durchreisender Schauspieler, welcher
wie ein französisches Trauerspiel, nicht ohne Liebe sein konnte.
Die alte Kehrstephanische Stadtpfarrerin mußte nach kurzem Finger
schütteln sich so gegen ihn auslassen: „die alten Griechen hatten
blos ganze Dramen voll lauter spielender Satyrs, wir zuweilen36,20
ganze Schauspielertruppen.“ etc.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Bayreuth, 4. Juni 1809. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_104


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 105. Seite(n): 35-36 (Brieftext) und 439 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Cotta-Archiv. 4 S. 16°; die Beilage auf eignem Zettel. K: Cotta 4 Jun. (nur Überschrift) B: IV. Abt., VI, Nr. 24. 35,33 errathen] aus gefunden 34 dichtende] aus dichtender 36,6 unter] aus in

Das Stück aus dem Buch von A. Fr. Schweigger (Bruder des Physikers) und Langermann erschien im Morgenblatt v. 20. Juni 1809, Nr. 146, unter der Überschrift „Aufführung zweyer Lustspiele im Irrenhause zu Charenton“; s. IV. Abt. (Br. an J. P.), VI, Nr. 45. 2 anstößige Stellen: Cotta hatte geschrieben, er könne den „Alltagsklub“ leider nicht in den Damen-Kalender aufnehmen, da eine Stelle darin sei, die er nicht vor die keuschen Ohren der Damen bringen möchte; ob J. P. nicht etwas anderes schicken könne? Vgl. I. Abt., XVII, Einl. S. XLI. Liebessehnsucht: s. ebenda, S. 239.