Edition
Korpus
Korrespondenz

Von Jean Paul an Charles Villers, de. Bayreuth, 13. Februar 1810.

Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



Bayreuth d. 13. Febr. 1810

Verehrtester Mitbürger in der deutschen Gelehrten- und in der bremischen Stadt-Republik! — Ihre Antwort und Ihre Gabe hätten einen frühern Dank verdient. Ich bewunderte Ihre Intro duction des Ambassadeurs philologiques quoique allemans bei den Franzosen; ein reiches Werk, wofür Ihnen zwei Nazionen zugleich zu danken haben, die belehrte und die dargestellte. Gleichwol haben Sie darin zwei Männer vergessen, eben weil sie Ihnen unvergeßliche sind; nämlich Herder und Lessing; denn wahrscheinlich stand Ihrem Geiste der philosophische und der dichterische Werth dieses Genius-Paares zu leuchtend vor als daß Sie an den untergeordneten philologischen hätten denken können.

Hier folgt, weil Sie es wollten, mein Blatt an den Prinzen von Pontecorvo.

Schon der schöne Titel Erhebungen und noch mehr Ihre Theil nahme daran — d. h. Ihre Flügel daran — hätten mich zum Mitfluge begeistern müssen, wenn ich näher gewesen wäre und wenn ich ferner die Proben aus den Daemmerungen nicht dem Verleger für sein Morgenblatt hätte versprechen müssen.

Noch immer heg’ ich den schönen Traum und Wunsch, daß Sie mich Ihrer Nazion in einer Auswahl von Einfällen, Reflexionen, Herzens-Ergüssen darstellen; denn nur Sie als Kenner zweier Nazionen und Sprachen zugleich vermögen dieß am besten. Ich fand im Publizisten einmal ein Urtheil über meinen Geist, ohne allen Geist; warum soll ich nun blos als Karikatur präsentiert bleiben vor einer (geographisch-) so großen Nazion? — Ihre Zeit ist freilich zu kostbar zum Übersetzen; ich wünsche aber auch nur Ihr Wählen und Korrigieren.

Leben Sie wol, Edler Mann, und schreiten und fliegen Sie fort auf Ihrer Bahn, wo Sie noch keinen Vorgänger finden, der so geistig zwei Völker, ohne Krieg verband.


Ihr
Jean Paul Fr. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Charles Villers, de. Bayreuth, 13. Februar 1810. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_231


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 232. Seite(n): 89 (Brieftext) und 462-463 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Stadtbibl. Hamburg (Campesche Slg.). 4 S. 8°. K: Villers 13 Febr. i: Wahrheit 7, 156. J: Magazin f. d. Lit. des In- und Auslandes, 53. Jg., 1884, Bd. 106, S. 426 (1816 statt 1810). B: IV. Abt., VI, Nr. 7. 89,24 Ergüssen] davor gestr. Darstellungen H

Charles de Villers (1765—1815), der hervorragende Vermittler zwischen deutschem und französischem Geist, 1809 zum Ehrenbürger von Bremen ernannt, hatte in einer halb deutsch, halb französisch geschriebenen Antwort auf einen Brief Jean Pauls vom 25. Dez. 1808 sich über seine französischen Landsleute sehr abfällig geäußert; er habe nicht gewagt, in Frankreich etwas über J. P. drucken zu lassen, da man J. P. nur für einen extravaganten Narren wie Shakespeare halten würde; nur einige „âmes élues“, wie Mad. de Staël und Mad. Cottin (1773—1807), habe er durch Mitteilung einzelner Stellen aus Jean Pauls Werken (Rede des toten Christus) aufs tiefste gerührt. Bernadotte (Prince de Pontecorvo), mit dem er in Lübeck verkehrt, habe ihm von einem Briefe erzählt, den er von J. P. erhalten, der sich aber nicht mehr gefunden habe; wenn J. P. eine Abschrift davon habe, bitte er darum. (Die Abschrift des im August 1806 geschriebenen französischen Briefs, einer Bitte um Befreiung von Einquartierung, findet sich in der Hamburger Stadtbibl.) J. P. möge doch ja, ihm zuliebe, für die „Erhebungen“ seines Freundes Herrmann einen Beitrag liefern (vgl. Nr. 211†), etwa einen Anhang zur Friedenspredigt. Gleichzeitig — oder später? — hatte V. anscheinend seine Schrift „Coup d’oeil sur l’état actuel de la littérature ancienne et de l’histoire en Allemagne“ (1809) übersandt. (Wenn J. P. darin Herder und Lessing vergessen fand, so hatte er nicht beachtet, das V. titelgemäß nur die neueste Literatur behandelte.)