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Von Jean Paul an Christian Otto. Bayreuth, 27. März 1810.

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[ Bayreuth, 27. März 1810 ]
94,2

Habe Dank! Aber du irrst dich. Der Rezensier-Tropf ist ein
patriotischer enragé. Wie könnt’ er gegen das lange Leben großer
Eroberer lauter gemordete anführen? Eine eigentliche Belei94,5
digung für Napoleon. — Aus jener patriotischen Dummheit kommt
der Gedanke an Alexander, dessen Nennung als Alliierter Napo-
leons
ja nicht boßhaft sein kann. War er mir aretinisch feind:
so standen ihm ganz andere Stellen zu Gebot, von welchen sogar
mir Gutgesinnte fürchteten. Er tadelt an mir ja sogar das Wunder94,10
Finden an Napoleon. Häßlich dumm ist er bei Ironien. — Vorher
besorgt’ ich wirklich so etwas von Einflechtung ins Jakob.-Schick-
sal; und war daher froh über bloße Dummheit.


N. S. Noch einmal las ich eben die Rezension und wurde noch
mehr meiner Meinung; z. B. bei der Taube mit dem Oelblatt94,15
und Grün — über den Gott in der Geschichte — bei seiner Dumm
heit über das Erdefressen — bei Selbststillen der Staaten — über
das Festhalten der Bildung auf Lumpenpapier, wo er sogar das
vorige Baiern anführt — über Statuen.


Jakobs und Schlichtegroll und Niethammer sind meine ächten 94,20
Freunde; auch Jakobi, nur aber unvertragsam mit meinem
Scherze.


Du solltest meine Grönländischen Prozesse (bei mir zu haben)
und die Teufelspapiere wieder lesen; an letztern hab’ ich nichts, an
jenen wenig zu ändern, ob sie gleich im 17 und 18 J[ahre] gemacht94,25
worden.


N. S. Im Gegentheil hab’ ich einmal die Baiern die deutschen
Engländer genannt. Die Rezension ist wahrscheinlich von einem
bayreuth. Feinde wie fast alle Rezensionen meiner Werke.

Warum hätt’ er sonst z. B. nicht mein Sprechen gegen große94,30
Reiche und das Behaupten ihres Zerfallens, mein Tadeln der Er
oberer, der Franzosen, das Spotten über Kontribuzionen etc. etc. etc.
angeführt? — Könnt’ ich dich nicht dieß mal mit Buch und Rezen
sion in der Hand bekehren: so wärst du der leibhafte Krause.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Christian Otto. Bayreuth, 27. März 1810. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_245


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 246. Seite(n): 94 (Brieftext) und 465 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin JP. Präsentat: Dienstag, den 27. März 10. 94,30 hatt’

Otto hatte anscheinend vermutet, der oberdeutsche Rezensent gehöre zur Partei Aretins; vgl. den Schluß von Nr. 250. Der Rezensent verweist u. a. gegenüber Jean Pauls Behauptung, allen glücklichen Weltstürmern und -bildnern sei ein langes Friedensalter beschieden gewesen (I. Abt., XIV, 126), auf Alexander den Großen, Cäsar, Heinrich IV., Gustav Adolf etc. und bezieht Jean Pauls Bemerkung, wenn nur „ein gewisser einziger Mann“ an der Spitze der Deutschen gestanden hätte statt gegen sie, würden sie gesiegt haben (ib. S. 105), auf Kaiser Alexander von Rußland (statt auf Napoleon). Grönländische Prozesse und Teufelspapiere: vgl. Nr. 264†.