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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Ernst Wagner. Bayreuth, 22. April 1810.

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Bayreuth d. 22 Apr. 1810

Lieber Wagner! Ihr Brief hat mir ich weiß nicht ob mehr Freude oder mehr Schmerz gebracht. Der letztere ist, daß ich mir den Mann, der so viel Leben hat und gibt, immer es verlierend denken soll; was ich nicht einmal medizinisch kann, oder sonst konnte; daher Sie auch dato noch leben. Eine poetische Seele wie die Ihrige ist die beste Wunder-Arzenei eines siechenden Leibes.

Aber Freude brachte mir Ihr Blatt nicht blos durch die Darstellung Ihrer liebenden Seele, sondern auch durch die Nachrichten von Andern, die sie belohnen. So sei es! So müssen Sie geliebt werden! Und Sie werden noch mehr Gesänge geben als Ihren Schwanengesang!

Für Ihre empfangenen Bücher danke ich herzlich. Über den Titel des neuesten schrieb ich an Cotta gestern mit der Bitte, ihn noch nicht ohne Ihre zweite Ratifikazion abdrucken zu lassen. Nämlich „Lesebengel“ schreckt, zumal auf einem Titelblatte, ab. Warum nicht ABC-Schütze, oder Buchstabier-Schütze, oder ABC- und Lese-Schütze?

Über die „Wahlverwandtschaften“ bin ich ganz Ihrer Meinung; aber das jetzige Publikum ist es gewiß auch; und wozu ihm seine eigne Meinung vorsagen?

Gegrüßt sei der alte hohe Ritter Truchseß — dann alles was den Namen Heim führt ... O ich sehne mich wol nach drei Festtagen in Meiningen und nach dem Anblicke der Herzogin, in welcher ich — obwol schmerzhaft genug — meinen Freund Georg zum zweiten male wieder lieben würde und müßte. Es geh’ Ihnen wie der Erde, d. h. haben Sie Frühling!


J. P. F. Richter
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Ernst Wagner. Bayreuth, 22. April 1810. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_259


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 260. Seite(n): 100 (Brieftext) und 467-468 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Wagner 22 Apr. J 1: Mosengeil Nr. 10×. *J 2: Denkw. 3, 216. B: IV. Abt., VI, Nr. 72. A: IV. Abt., VI, Nr. 106? 100,15 Wunder-Arzenei] so K, Wundarznei J 1 J 2 18 sie] Sie J 1 21—29 fehlt J 1 30 alles bis 31 führt] fehlt J 1 31 O] Ach J 1 drei] den J 1 32 Anblick J 1 33 zum bis 34 müßte] wiedersehn würde J 1 34 Es bis 35 Frühling!] Es blühe Ihnen, wie jetzt der Erde, ein neuer Frühling auf! J 1 geh’] so K, gehe J 2

Wagner hatte sich enthusiastisch über die Dämmerungen geäußert und versprochen, sein neues, zu Ostern bei Cotta erscheinendes Werk J. P. sogleich zuzuschicken; der Titel heiße nun: „Historisches ABC eines vierzigjährigen Hennebergischen Lesebengels“; wenn derselbe J. P. nicht anstehe, sei vielleicht in Tübingen noch Zeit zu einem andern. (Es wurde dann „Lesebengel“ in „Fibelschützen“ geändert.) Er sei gesundheitlich weiter sehr schwach, doch glücklich, da die Herzogin von Meiningen (vgl. Nr. 348) versprochen habe, nach seinem Tode für seine Familie zu sorgen. Er hatte einen Gruß von seinem Freunde Truchseß ausgerichtet, der J. P. gern sehen möchte; J. P. möge doch Meiningen einmal wieder besuchen. „Möchten doch nur einige Worte von Ihnen über die Wahlverwandtschaften mein Urtheil berichtigen! Mir ist die Sünde darin zu heilig behandelt. Und die Weiber darinn sind mir zu dick... Aber der einzelnen Schönheiten Name ist — Legio!“ Empfangene Bücher: 2. Bd. der „Reisen“ und „Ferdinand Miller“, vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), VI, Abb. Nr. 3.