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Korrespondenz

Von Jean Paul an Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach. Bayreuth, 7. Januar 1809.

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Leider eilig
Bayreuth d. 7. Jenn. 1809
1,20

Mein erster Brief in diesem Jahre ist an Sie, so wie meine erste
erhaltene Morgengabe dieses J[ahres] Ihr Brief gewesen, den ich
den 1ten J[enner] bekommen, sammt dem Büchlein, dessen Anfang
ich schon lange und so froh aus der eleganten Zeitung gekannt. —
In Weimar bekam ich einen anonymen Brief aus Jena, der gewis 2,1
der Ihrige gewesen. Ich danke dem Schicksal, daß Sie mich lieben:
— und Sie lieb’ ich herzlich, wenn Sie auch nur Ihr Büchlein,
nicht Ihren Brief geschrieben hätten.


Nachahmung ist etwas anderes als Nachäffung oder Nachahmerei;2,5
denn sonst gäb’ es nur Einen originellen Autor, den ersten Schreiber.
In Ihrem Büchlein gehören die Einfälle ja nur Ihnen allein; —
auch die Manier konnten Sie nicht abschreiben, sondern sie fort
setzen, wie ich ja selber thue, wenn ich weiter schreibe. Ihre Laune
und deren Berechnung, oft bis auf das Wörtchen herab, hat mich2,10
sehr erquickt; und mein Wunsch ist nun, daß Sie vom Fragmen
tarischen zum Ganzen überschreiten und den Witz etc. etc. nur ein
schalten, der sich jetzt ein Privileg des Einschaltens einschaltet.


Ich und meine Frau erinnern uns noch sehr lebhaft, d. h. sehr
froh der drei Schwestern, welche so schön an die schönste mytho- 2,15
logische Drei erinnern. — Aber Ihnen, und Ihrer Gattin noch
mehr, kann das Schicksal den durchbohrenden Blitzstrahl nur durch
einen seltnen Frühling vergüten; mich und noch mehr meine Frau
hat die Thee-Wasserprobe zum Schaudern gebracht. Aber das hin
gegangne Wesen muß als Engel herunterschweben — oder wer die2,20
Stelle vertritt — und es muß längere Leiden heilen als es empfangen
hat. — Kurz nach einem solchen Unglück — glauben Sie mir —
bereitet das Schicksal großes Glück zu; oder hat es schon gethan.

Leben Sie denn wol, trefflicher Mann! Jede Nachricht Ihres
Fortlebens ist mir willkommen. Gegrüßet von ganzer Seele sei die2,25
Schöne, Zarte, und Lebens-Verwundete, wenn der letztere Ausdruck
erlaubt ist, da sie einen solchen Mann hat! Es geh’ Ihnen beiden
wol!



Ihr
Jean Paul Fr. Richter
2,30
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach. Bayreuth, 7. Januar 1809. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_4


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 4. Seite(n): 1-2 (Brieftext) und 421-422 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: Berlin (derzeit BJK?). 4 S. 8°. K: v. Meusebach in Dillingen den 7 Jenn. J: Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde, 21. Bd. (1889), S. 68. B: IV. Abt. V, Nr. 202. 2,17 Blitzstral K 19 Wasserprobe] aus Or- dalie H 23 gethan.] danach durchstr. Nichts war mir in meinem ganzen Leben gewisser als ein großes Glück nach einem großen Unglück; obwol auch umgekehrt [nachtr. und] kleiner. H 26 Verwundete] aus Wunde H.

Angekommen 15. Januar 1809. Karl Hartwig Gregor Freiherr von Meusebach (1781—1847), der originelle deutsche Altertumsforscher und Sammler, hatte sein unter dem Pseudonym Markus Hüpfinsholz veröffentliches Büchlein „Geist aus meinen Schriften“, worin er nach eignem Geständnis stark Jean Pauls Manier nachgeahmt, an diesen gesandt und ihm seine glühende Verehrung bekannt. In dem Begleitbrief erinnert er an einen Brief, den er vor 9 oder 10 Jahren an Jean Paul nach Weimar geschrieben, sowie an Jean Pauls und Karolinens Begegnung mit seiner jetzigen Gattin, Ernestine von Witzleben, und deren zwei Schwestern in Kassel (Sept. 1801, vgl. Bd. IV, Nr. 190†), und berichtet, daß er sein Söhnlein Otfried infolge eines Unglücksfalles — Verbrühung durch eine von seiner Frau umgeworfene Teemaschine — verloren habe, daß seine Frau seither krank, ja in Todesgefahr gewesen, jetzt aber auf dem Wege der Besserung sei.