Von Jean Paul an Natalie Wolffin. Bayreuth, 17. April 1811.
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Leider verlieren Sie und ich zugleich, Sie die Wette und ich den
Ruhm, ein witziges Buch gemacht zu haben, denn H.
Hofadvokat
Hempel
[ist der Verfasser]. Auch hätte Ihnen seine
Leichtfertig
keit so wie sein Mangel an
ächter Laune bei aller Witzes Fülle189,30
die Wette ersparen
oder erschweren können. Vielen Genuß hat mir
Ihr langes
Briefchen (denn der Witz macht es zu einem Briefchen,190,1
so wie
Gewöhnlichkeit andere Blätter zu Briefen und Langweilig
keit noch andere zu Schreiben macht) geschenkt; und nur viele
schöne
Züge eines weiblichen Geistes ließen mich bei soviel
schönen eines
männlichen an eine Urheber in glauben. Was hab’
ich Ihnen noch190,5
zu sagen, da ich Sie nicht kenne? Eben
die Bitte, sich mir mehr
bekannt zu machen, wie Sie auch
versprochen. Mögen Ihre
geistigen Flügel Sie zu nichts tragen
als zu Blumen.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Natalie Wolffin. Bayreuth, 17. April 1811. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_481
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: Natalie Wollfin [!] in Dessau [aus Dresden] 17 Ap. i: Wahrheit 7, 206 (13. April). B: IV. Abt., VI, Nr. 151.
Vgl. Nr. 475. Die Schreiberin des langen, z. T. witzigen Briefes erzählt, wie sie 1804 in ihrem 13ten (von J.P. doppelt unterstr. und mit Fragezeichen versehen) Jahre mit Entzücken das goldene Kalb gelesen (das sie J. P. zuzuschreiben scheint statt Bentzel-Sternau), einige Zeit darauf den Titan und dann die anderen Werke Jean Pauls. Sie verstehe zwar nicht alles darin, „doch nie stieg ich herab, ohne einen schönen Strauß nie welkender Blumen gepflückt zu haben, doch habe ich nie Blumen oder Fruchtstücke allein gepflückt, ohne die Dornen zu empfinden. Denn jedesmal hatte ich mit dem Buchhändler Streit gehabt, weil ich das ganze Buch mit Eselsohren anfüllte, um mir nach geendigter Lektüre Auszüge zu machen.“ (Das „Denn“ ist von J. P. doppelt unterstr. und dazu bemerkt: Welcher Übergang von der Empfindung zum gemeinen Bezahlen! — Dieser Übergang könnte mich beinahe schweigen heißen.) Sie habe nun mit mehreren Herren ihrer Bekanntschaft gewettet, daß die „Nachtgedanken über das A-B-CBuch von Spiritus Asper“ (1809) von Jean Paul seien; er möge ihr unter der Adresse „Natalia Wolffin in Dessau p. r.“ schreiben, ob sie recht habe; dann werde er ihren wahren Namen erfahren. — Friedr. Ferd. Hempel (1778—1836) gehörte dem Kreise des Kammer- verwalters Ludwig in Altenburg (vgl. Nr. 400†ff.) an. — Natalie scheint nicht mehr geschrieben zu haben.