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Korrespondenz

Von Jean Paul an Theodor Pauli. Bayreuth, 15. Januar 1812.

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[Druck]

Baireuth d. 15 Jenn. 1812
245,14

Hochgeehrtester Herr Staatsrath! Die Verzögerung meiner Ant245,15
wort auf Ihr Werthes vom 2. Jenner entstand aus der Schwierig
keit derselben. Ich wurde innigst gerührt von der Güte Ihres herr
lichen Fürsten, dessen Zepter, wie seine Feder, weit über sein Land
beglückend hinausreicht und welcher, so wie er bisher der helfende
Beschützer meiner Gegenwart war, eben so der Schutzgeist meiner245,20
ganzen Zukunft werden will. Meinem Herzen ist ers auch durch
Ihren Brief schon geworden und die Frage war hier Gabe.


Aber über die Annahme eines solchen Amtes muß ich nicht nur
meine Wünsche, sondern auch meine Kräfte fragen, ob diese zum
Lehren und zum Schreiben zugleich auslangen. Letzteres fodert von245,25
mir auf der einen Seite weit mehr Zeit, als man vielleicht meinen
Werken leider ansieht, und auf der andern hab’ ich noch soviel schon
nach jetzt fertigen Zurüstungen auszuführen, daß ich mir wol etwas
vom Alter der Erzväter wünschte, um zwar nicht ein vielschreiben-
der Kirchenvater, wie Origenes und Augustinus, aber ein viel- 245,30
lesender Büchervater zu werden, welcher z. B. nur eben des ge
dachten Augustins 232 Bücher (die exegetischen noch ungerechnet)
etwan durchbrächte, die — nach Gennadius Zweifel — schwerlich
ein Mensch noch sämmtlich durchgelesen. Die Belohnung, welche
mir der edle Großherzog anbietet, würde mir auch im gütigsten 245,35
Falle mehr Zeit abfodern, als mein Schreibamt entbehren kann —246,1
zumal in dem absteigenden Zeichen der Jahre, — dem sogar in dem
aufsteigenden eine seit 20 Jahren ungetheilte Widmung nicht genug
thun konnte.


Noch wichtiger und schwieriger wird die Antwort, ob ich, der ich246,5
früher nur Kinder unterrichtet, mit einigem Glücke einem andern
Hör-Publikum, das nicht mit dem Les-Publikum zu vermengen, zu
dienen vermag.


Meinen besondern Dank werd’ ich J[hrer] K[öniglichen] H[oheit]
bei Uebersendung eines Aufsatzes für das Frankfurter Museum — 246,10
über das Entstehen der ersten Thiere und Menschen — darbringen,
dessen Länge noch seine Vollendung verzögert. Ich etc.



Jean Paul Fr. Richter

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Theodor Pauli. Bayreuth, 15. Januar 1812. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_597


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 599. Seite(n): 245-246 (Brieftext) und 530 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (nur Überschrift am Schluß des Kopierbuchs von 1811): Pauli. *i: Wahrheit 7, 263 (wahrscheinlich nach dem an Otto geschickten Konzept, s. Nr. 596). B: IV. Abt., VI, Nr. 193.

Über den Adressaten s. Neuer Nekrolog, 1829, S. 833ff. Er hatte im Auftrage Dalbergs angefragt, ob Jean Paul an der Höheren Lehranstalt in Aschaffenburg die Professur der Ästhetik oder eines andern beliebigen literarischen Faches mit einer Besoldung von 1000 fl. (neben der in jedem Falle fortdauernden Pension) übernehmen wolle.