Von Jean Paul an Emanuel. Bayreuth, 28. Januar 1814.
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Guten Morgen!
Dank, alter Emanuel, für den Teufels Schattenriß. Gegen
die Aechtheit ließe sich viel, über
sie unendlich mehr schreiben. Die
meisten Reden Napoleons sind treu nachkomponiert; nur der Ge-
358,30
sandte spricht zu kühn. Aber auch
bei jenen ist das Geständnis über
die Erwürgung der vorigen
Kaiserin sehr unwahrscheinlich, so wie
der Befehl zur Entwaffnung eines Gesandten. — Gleich wol
nur
so erdichten zu können — setzt eine gräßliche
Möglichkeit voraus.
Jetzo erst in der Freiheit spür’ ich die
alte dicke Kerkerluft, wie ein358,35
Gefangner diese erst im
Freien mit dem völligen Ekel empfindet. —359,1
Das Fürchterliche in
der ganzen Unterredung ist das Wahre, daß
Napoleon wirklich von der Güte seiner Maaßregeln und
Absichten
wie von dem Gewichte seines Kronenkopfes
überzeugt ist. Bei einer
solchen Überzeugung und bei einem
solchen korsischen Temperament
359,5
gibt es für einen Eroberer keinen Gottes Acker der
Völker, der zu
groß wäre.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Emanuel. Bayreuth, 28. Januar 1814. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_828
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: SBa. Präsentat: 1) Am 28 Jan. 14. J: Denkw. 1, 259. 359,6 einen Eroberer] aus ihn Gottes Acker] aus Gottesacker
Emanuel hatte das — angeblich aus dem Französischen übersetzte — Manuskript einer „Unterredung Napoleons mit dem Grafen von Bubna, am 10. März 1813“ (SBa, 8 S. 2°) übersandt, worin N. u. a. sagt, er habe seine erste Gattin (Josephine) „aufgeopfert“ und würde sie sogar, wenn Staatsgründe es verlangten, umbringen lassen, und den ihm kühn widersprechenden österreichischen Gesandten Bubna verhaften lassen will. Die sicher apokryphe Unterredung wurde in Ludens Zeitschrift „Nemesis“, 1. Bd., 4. St. (1814), S. 496—506, veröffentlicht und auch als Broschüre verbreitet.