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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann Salomon Christoph Schweigger. Bayreuth, 16. April 1814.

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Baireuth d. 16 April 1814

Mein wackerer Professor mehr als einer Wissenschaft! Für Ihr treffliches Büchlein schick’ ich Ihnen eines, worin auch Himmel körper spielen, obwol gegen die gallischen dunkeln Erdkörper und die Zentralsonne des Teufels. Himmel! wie sind die kühnsten Wünsche der Deutschen zu kühnsten Thaten geworden! Nur solche miracula restitutionis konnten solche Teufels Wunder aufheben. — Ich habe oft dabei an Sie gedacht.

Ihr Buch hat mich sehr erquickt, d. h. belehrt. Sonderbar ists, daß mit der Größe des Weltkörpers die Lichtentwicklung zu wachsen scheint. Anziehung erklärt es nicht, da Licht schwerlich der Anziehung unterworfen ist, und sogar, wenn dasselbe es wäre, der Fall der großen Zentralsonne einträte, die eben durch An- und Zurückziehung des Lichts nach Herschel unsichtbar bleibt. Der größte Einwurf ist die Kleinheit des Kometenkerns, welcher gleichwol zuweilen eine Lichthülle von 40 Millionen Meilen Länge erzeugt. Denn daß der Schweif nicht durch die Sonne angesetzt werde, beweist Gelpke gut daraus, weil er sonst, wenn er hinter dem Ko meten liegt, dunkel erscheinen müßte.

Lieber Tetrarch von vier Wissens Welten, der physikalischen, chemischen, astronomischen und poetischen! Sie sollten Ihre Kraft, wie Lessing Wahrheiten durch Kombinieren zu erwürfeln, öfter be nützen. Der Erfahrungen und der Erfahrer haben wir Millionen, und der Erklärungen und Erklärer so wenige.

Leben Sie wol im geretteten und rettenden Deutschland! Einen herzlichen Gruß an Ihre liebe Schwester.


Ihr Jean Paul Fr. Richter

Bringen Sie dem Professor Heller meinen Gruß und meine Bitte um die Blätter von Aleph etc.

N. S. Ihren Satz von Sprüngen in der Natur hab’ ich in meiner Levana schon für organische Entwicklungen behauptet.

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann Salomon Christoph Schweigger. Bayreuth, 16. April 1814. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_859


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 865. Seite(n): 369-370 (Brieftext) und 573 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H zuletzt Kat. 679 Stargardt (März 2004), Nr. 266; davor u.a. Kat. 555 Stargardt (Nov. 1961), Nr. 679. K 1 (Konzept): Schweigger April. K 2 (der Schluß nach Nr. 861): Schweigger 16 Apr. i (K 1 u. K 2): Denkw. 3, 265×. *J: Archiv für Literaturgeschichte, 9. Bd., 1880, S. 336 (ohne Angabe des Adressaten, Gestrichenes in eckigen Klammern). B: IV. Abt., VI, Nr. 236. A: IV. Abt., VI, Nr. 246. 369,25 eines] darüber Mars u. Phöbus K 2 370,1 ists] danach gestr. auf der einen Seite J 4 dasselbe es] so K 2, dasselbe aus es J wäre] aus ist K 2 7 größte] so K 2, große J 10 beweist] erweist K 2 14f. benützen] so K 2, benutzen J 21 Heller] Keller J (fehlt K) 22 vom J. 24 Entwicklungen ] nach H (stand für die Textkonstitution nicht zur Verfügung) K 1 hat noch folgende unbenutzte Sätze: Den Übergang durch Größe in Planeten beweiset Jupiter, der und dessen Trabanten in ihrer Sonnenferne kein solches Licht haben könnten. Im Ganzen würde überall der größte selber leuchtende Körper das meiste Licht haben, daher eben die Sonne. — Warum will man denn die Größe nicht mit der Ferne wachsen lassen, also mit der Größe das Licht? — Aber ein anderes Gesetz als das der Anziehung muß die Lichtverdickung bewirken, da überhaupt das Licht keine Anziehung kennt, sonst könnte der entblößte Sonnenkörper keine Dunkelheit zeigen. Warum soll denn alles Anziehung heißen was Zurückziehung ist. — Wie, wenn der Komet ein eigenes Verhältnis zum Lichte hätte? (Lichtsammler) — eben weil er einen andern Kern hat als jeder Weltkörper? Kann sich das Licht nicht auch e[inem] Stern zudichten [aus andichten]? — Die Sonne müßte nach Verhältnis ein weit höheres Zodiakallicht zeigen. — ... im Verstande gibt es keinen Zufall; und die ganze Kombinazions Rechnung muß in einer höchsten Potenz den Schein der Zufälligkeit ablegen; denn Zahlen sind so gut von Gott geschaffen als Welten und Sachen. — Die Arterien des Universums zu Einem Herze zusammenziehen, was Gott ist. Frage: wird von der Sonne das Licht mehr angezogen oder mehr entwickelt — das Licht könnte leichter die Anziehung selber sein —

Mit „Mars und Phöbus“. Schweigger hatte eine kleine Schrift „Über den Planeten- und Trabanten-Umlauf“ (Sonderabdruck aus seinem Journal für Chemie und Physik) übersandt, die durch einige Fäden mit einer früher übersandten „Über einige noch nicht erklärte che mische Erscheinungen“ (Journal f. Chemie u. Physik, 5. Bd., 1812, Nr. 1) zusammenhänge, und Jean Pauls Bemerkungen darüber erbeten. Gelpke: s. II. Abt., IV, 147, Nr. 69†. Lessing: vgl. I. Abt., V, 214†. Heller: s. Nr. 682†. Blätter von Aleph etc.: von Kanne, s. Bd. IV, Nr. 189†. Levana: § 124 (I. Abt., XII, 348f.).