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Korrespondenz

Von Jean Paul an Johann David Mumenthaler. Bayreuth, 18. Mai 1814.

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Baireuth d. 18 Mai 1814

Beichte: ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, und doch geschwiegen bis heute. Besserung: eben schreib’ ich. Absoluzion: Sie antworten.
Aber deutlicher, — lieber, alter, guter Herzensfreund! — Ihr Paquet vom 26ten August 1813 kam nahe vor der großen Entwickelung des Kriegs, der die Posten sperrte. Dadurch kam ich ins lange Schweigen, und aus dem langen kommt man spät heraus, z. B. den 18ten Mai. Ihr Brief mit Ihrem herzlichen Zutrauen zu mir erquickte mich, und daher haben alle Ihre Bitten und Äußerungen keine Rechtfertigung nöthig, da sie die schönste in sich selber führen. Ein Miniatürbild von mir könnt’ ich Ihnen in Baireuth nicht anders verschaffen als daß Sie neben mir auf dem Kanapee säßen, weil mein Bild dann in Ihrem Auge gut getroffen hinge, so lange Sie dieses nicht schlößen; — bei der Gelegenheit wäre eben wieder mein Auge ein guter Miniatürmaler von Ihnen; — sonst übrigens kenn’ ich niemand hier, der malen kann, auch nur erträglich. — Alle größere Bilder und Kupferstiche von mir — besonders die Pfen ningers — sind Zerrbilder meines armen Gesichts. Nur Ein gutes getroffenes Oelgemälde hat Meyer in Dresden mit Kunst und Liebe von mir geliefert. Ihren Vorschlag eines genialen Thermometers kann ich — die Rangordnung meiner nicht einmal gerechnet — schon darum nicht gut heißen, weil der Siedpunkt eben so wol als Tadel gelten könnte, und überhaupt Dichter nicht nach Graden blos der Wärme zu ordnen sind. Auch wäre eine Wärme- oder Temperaturskala etwas zu Kleinliches unter den Höhen der Schweiz. A propos! Eine moralische Wärme hat die Schweiz eben nicht bewiesen durch ihre Kälte im warmen Freiheitskriege gegen die Zentralsonne des Teufels, die Gottheit heißt wie lucus a non lucendo. Die Herbstblumine werd’ ich allerdings fortsetzen. Leben Sie froh und jugendlich unter dem Morgenroth einer glänzendern Zeit! — In meinem Herzen ist nicht nur der Wunsch, auch die Hoffnung, Sie zu sehen unter Ihren Thronen der Urzeit.

Ihr J. P. F. Richter.
Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann David Mumenthaler. Bayreuth, 18. Mai 1814. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VI_877


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 6. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1952. Briefnr.: 883. Seite(n): 382-383 (Brieftext) und 577-578 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Mumenthaler Landamman in Langenthal im Kanton Bern 18. Mai. * J: Alpenrosen Nr. 4. B: IV. Abt., VI, Nr. 230. A: IV. Abt., VI, Nr. 244. 382,23 eben] so K, aber J 26f. Pfennigers J

Von den beiden Briefen Mumenthalers ist nur der erste (unvollständig) erhalten. In einem Brief an Thieriot vom 22. April 1814 (Berlin Varnh.) schreibt er, er habe gleich nach Thieriots Besuch (im August 1813, s. zu Nr. 775) eine lange Epistel an J. P. geschrieben, das Paket sei aber zweimal wegen gehemmten Postkurses zurückgekommen, beim drittenmal ausgeblieben; er habe aber keine Antwort aus Bayreuth erhalten und nun eine kleine Anfrage dorthin abgehen lassen. Er dankt in diesem Brief Thieriot für ein Porträt Jean Pauls. — Nach A scheint dem Brief Jean Pauls „ein mit einem niedlichen Kranz umwundenes Stammbuch-Blättchen“ beigelegen zu haben; möglicherweise bezieht sich aber diese Bemerkung auf das Blatt vom 21. Aug. 1809 (Nr. 144 Beilage). 383, 3 Zentralsonne des Teufels: vgl. 369, 27, 376, 13f.