Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 7. März 1807.
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Liebe Renate! Durch Ihre Handelsweise werd’ ich schwer wieder
ins Gleichgewicht kommen, da Sie mir auf jeden Dank mit dem An
lasse zu einem neuen antworten. Indessen könnten Sie meinen
vater
ländischen Gaumen nicht besser
bestechen als auf diese Weise. Möge
meine Levana nur halb so
gut sein als Ihr „Säusack“! Nämlich
134,35
so gewürzreich, schmackhaft, gesund und verdaulich!
—
Wenn ich vorher Ihr Eides-Wort hätte, daß Sie mir meine135,1
Kaufbitten um den Preis erfüllten, den ich wünschte: so würd’ ich
wol manche Küchen-Bitten noch thun. Aber der Henker trau’ Ihnen!
Doch kann ich eine andere wagen, die 2 ABCBücher betrifft.
Ich
schreibe jetzt etwas Spaßhaftes — Spaß ist sonst meine
Sache
135,5
nicht — über den Verfasser des ABC’s und erkläre, so gut
ich kann:
„ein Affe gar possierlich ist“ etc. Um ein solches
ABC mit bunten
Bildern bitt’ ich Sie. Auch wünscht’ ich das
andere zu haben, wo
hinten ein Hahn steht und lehrt.
Was mir der Kriegsherbst versagte: wird mir, hoff’ ich, der135,10
Frühling gewähren, die Reise nach Hof. Die Erinnerungen aus
der
vorigen geben mir das warme Sehnen nach der zweiten. Ich
wollte,
ich könnte Ihnen jetzt einen Stuhl und ein
Schreibzeug hinsetzen
und Sie zwei Stunden lange an den
Achseln festhalten, blos damit
Sie so lange säßen und
schrieben an mich. Ich grüße Ihren Christoph
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und alle Ihre Kinder, keines
ausgenommen, und Ihre Eltern.
Leben Sie wol, liebe Freundin!
2) Am 40-Rittertage sollen Sie an den 41ten Ritter denken, der
ich bin; nur daß er, wenn sonst Damen die Ritter bewaffneten135,20
und einkleideten, es umkehrt und von den Füssen anfängt. — Möge
Ihnen, gute Renate, für Ihr künftiges Jahr das Schicksal Berge
und Thäler ersparen und Ihnen nur Auen geben.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Renate Otto. Bayreuth, 7. März 1807. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_328
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin acc. ms. 1900. 66 (derzeit BJK). 4 S. 8°. K: Renate 7. März. * J: Täglichsbeck Nr. 38. A: IV. Abt., V, Nr. 123. 135,3 Küchen-Bitten] nachtr. H 12 warme] nachtr. H 16 alle] nachtr. H 18 darüber (von fremder Hand?) Bayreuth d. [nachtr. 7/] 3 7. 21 und einkleideten] nachtr. H
134,35 Säusack: mit Speck, Schwarten, Semmel und Blut gefüllter und geräucherter Schweinsmagen. 135, 4–9 Renate antwortete, sie habe die beiden Abc-Bücher nicht bekommen können. 11f. Vgl. 86, 26–29†. 16 alle: Renate erwartete wieder ein Kind, das am 29. April 1807 zur Welt kam. 19–23 Jean Paul sandte Renate zu ihrem Geburtstage (9. März) „weiblichen Putz“, vielleicht Schuhe. Der 9. März ist der Vierzig-Märtyrer- (oder Ritter-) Tag.