Von Jean Paul an Friedrich Heinrich von der Hagen. Bayreuth, 29. Februar 1808.
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... Ich mußte Ihr Werk erst lesen und eigne machen, eh’ ich,
zumal im nervenstörenden Winter, sagen konnte: Gott sei
Dank200,25
und Ihnen dazu!
— Liebe für die Neu-Alten.
Das Lied der Nibelungen steht mit der Fülle seines deutschen und
sittlichen Stoffs dem griechischen (Homer) mehr voran als
nach.
Es ist ein verklärter und verklärender Germanismus, ein
wahrer
200,30
Antikentempel Deutschlands. — Rechte Mittel zwischen
Ur- und
Umschrift treffen — das Lied hat mehr Kelleresels- als
Pegasus
Füsse — Ich rathe zu einer
Darstellung des Lieds in Prose, nur aber
mit dem
deutsch-antiken Roste Tiecks — Mir haben von jeher Volks-
lieder am tiefsten ins Herz gegriffen. Je
älter man wird, desto mehr200,35
201,1
neigt man sich den Kindern und den Vorfahren und dem Volk
zu.
Ein anderes ist Prose, welche weit mehr Glanz erfodert,
um poe-
tisch zu wirken. Ich subskribiere auf seine
altdeutschen Gedichte.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Friedrich Heinrich von der Hagen. Bayreuth, 29. Februar 1808. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_490
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K: v. Hagen in Berlin 29 Febr. ab den 20 März. i: Denkw. 3,162×. Vollständig nach H gedruckt IV. Abt., V, Anhang Nr. 44. B: IV. Abt., V, Nr. 139.
Hagen hatte Jean Paul mit dem Bekenntnis inniger Verehrung seine neuhochdeutsche Bearbeitung des Nibelungenlieds (1807) gesandt und um sein Urteil über diesen deutschen Homer gebeten, ferner von seinen geplanten Arbeiten berichtet, u. a. von der mit seinem Freunde Büsching (s. Bd. VI, Nr. 207) gemeinsam vorbereiteten Sammlung ungedruckter altdeutscher Gedichte und von einer Sammlung deutscher Volkslieder mit Melodien. Vgl. Persönl. Nr. 203. 200, 35f. Vgl. I. Abt., VIII, 404,18f.: „Je älter der bessere Mensch wird ..., desto mehr hält er das Angeborne für heilig ...“ 201, 3 Vgl. Zimmer an Jean Paul, 29. Juli 1809: „Den Betrag der Deutschen Gedichte des Mittelalters von Büsching u. von der Hagen, welchen wir an die Realschulbuchhandlung in Berlin vergütet haben, werden wir in die nächste Abrechnung bringen.“