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Von Jean Paul an Johann David Mumenthaler. Bayreuth, 19. September 1808.

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[Druck]

Bayreuth d. 19 Sept. 1808
235,16

Geliebter Schweizer! Denn beides darf ich zu Ihnen, obwol un-
gesehen, aber doch gelesen von mir, sagen. Ich danke dem Unend
lichen, daß ich Seelen wie die Ihrige durch meine Werke die Wolken
des Lebens, wenn nicht vertreiben, doch ein wenig abendroth malen235,20
kann. Wohin will man aus dem drückenden Jetzt anders flüchten als
auf den Musenberg, wo man eine schönere Erde als die voll Schlacht-
felder, und einen schönern Himmel als den mit Pulverwolken und
Mordbrenner-Aurora erblickt?

Ihr Freiheits-Essen — denn sonderbar geben gerade drei, wenig- 235,25
stens sonst ganz freie Länder ihren Namen dem Käse — hab’ ich
gestern erhalten; nur ists zuviel Güte von Ihnen, daß Ihr Käse zu
gleich — unähnlich den Eroberern — so groß und so gut ist. Wahr
scheinlich besitz’ ich im ganzen Lande die vortrefflichste Käse-Scheibe.

Ich habe wenige Lieblings-Essen, eben weil ich kein Liebhaber235,30
des Essens bin; aber Ihr Geschenk gehört zufällig unter jene. —


Der gute Thieriot mag wol falsch verstanden worden sein; das
Wahre indessen ist, daß ich ihn über das Komische in meinen Schriften
am liebsten urtheilen höre.


Dem beigelegten Verzeichnis meiner Schriften fehlen blos die236,1
einzelnen in Almanachen und Monatschriften zerstreuten Aufsätze;
indessen zu Ostern erscheinen letztere unter dem Titel: Vermischte
Werkchen — bei Mohr und Zimmer.

Es geh’ Ihnen wol, herzlicher, guter Mann! Komm’ ich nach236,5
der Schweiz — wornach meine ganze Seele lechzet — so werd’ ich
wahrlich meinen Mumenthaler nicht zuletzt aufsuchen, sondern zu
erst. Es geh’ Ihnen wol!



J. P. F. Richter

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Johann David Mumenthaler. Bayreuth, 19. September 1808. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_571


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961. Briefnr.: 572. Seite(n): 235-236 (Brieftext) und 363-364 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Murnerthaler[!] in Langenthal 19 Sept. * J 1: Alpenrosen, ein Schweizer Taschenbuch auf 1827, S. 228. J 2: Berend, Jean Paul und die Schweiz, S. 65. B: IV. Abt., V, Nr. 183. A: IV. Abt., VI, Nr. 28. 235,18 aber] fehlt K 32 Th***t J 1 236,4 Moor J 1 9 Richter] R. J 1

Die Briefe Jean Pauls an Mumenthaler wurden bald nach seinem Tode in dem Schweizer Taschenbuch „Alpenrosen“ auf 1827 — nicht ganz vollständig und ohne Nennung des Adressaten — veröffentlicht, nebst einem Bruchstück aus einem Brief Mumenthalers an Jean Paul v. 28. Aug. 1813; die Originale sind verschollen. 4 Briefe Mumenthalers an Jean Paul (1808 bis 1814) waren in Berlin JP. — Johann David Mumenthaler (1772—1838) in Langenthal (Kanton Bern), in der Zeit der Helvetik als Sekretär seines zum Distriktsstatthalter ernannten Verwandten und Erziehers Johann Jakob Mumenthaler tätig, später (1810—17) Ammann, hatte in Langenthal eine Lesegesellschaft und Leihbibliothek gegründet. Er hatte Jean Paul als Dank für den Genuß, den ihm die oftmalige Lektüre seiner Werke bereitet, einen Laib extraguten alten Emmenthaler Käses zugesandt. In dem eigens geschickten Brief spricht er die Hoffnung aus, daß Jean Paul ihn einmal in der Schweiz besuchen werde. 235, 25f. drei freie Länder: England, Holland, die Schweiz. 32–34 Mumenthaler hatte im Postskript erwähnt, ein Herr Thieriot aus Leipzig, der sich zur Zeit im Kanton Waadt aufhalte (vgl. Nr. 542†), habe zu einem Freunde von ihm geäußert, Jean Paul habe ihn (Thieriot) für den einzigen Mann erklärt, von welchem er seine Schriften beurteilt haben wolle; vgl. 50, 27–29. 236, 1f. Eine Bitte um ein Verzeichnis von Jean Pauls Schriften findet sich in B nicht; möglicherweise stand sie auf einem der Käsesendung beigelegten Zettel.