Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 14. Juni 1822, Freitag

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Freitag den 15ten Juni

Geliebte Odilie! Lange habe ich nichts von Dir gehört. Freilich habe ich Deinen letzten Brief nicht beantwortet, allein ich müßte jede andere als meine Hauptbeschäftigungen unterlassen, und kann erst heute sagen: nun bin ich fertig. Diesmal dauerte das Arbeiten länger, und war mühsamer als je. Woher es kommt, weiß ich nicht. Alles Wiederwertige und Entgegnende vereinigte sich um meine Geduld auf die härtesten Proben zu setzen. Abends wenn ich zu Bett war dachte ich innig an Dich, und wie es Dir wohl gehen möchte. Doch hatte ich es nicht übers Herz bringen können, Dir nicht zu schreiben, wenn ich nicht in der Dich so weich erfreuenden Kiste, einen Beruhigungsgrund für mein Herz gefunden hätte. Sage uns nun sogleich es Dir geht mein theures Kind, und das mit aller Wahrheit und Offenheit die sich gehört. Jetzt kann auch einigermaaßen eine Veränderung mit Deinem Körperbau vorgegangen sein, auch das melde mir.

|2 Laße in Gottes Namen einen Uberrock aus einem Kleide machen, wenn es geht, und schneide Deine Hemden auf, es muß alles geschehen was zweckmäßig für Deine Bequemlichkeit und Dein Wohl ist. Bald wird Eines von uns Dich besuchen. mein geliebtes Leben, darauf verlasse Dich.

Heute soll der Vater kommen . Wie würdest Du alles stellen und ordnen damit er nichts vermisse – ich thue es auch – aber Emma ist in Konradsreuth um mit ihm zurückzufahren, und daher muß ich mich auf mich selbst verlassen. Seit 14 Tagen hatte der Vater nicht geschrieben , wie wird es sein, wenn er kömmt, mir ist ordentlich bange vor dem Augenblik.

Herder besuchte mich heute mit seiner Frau die mir sehr gefällt. Er war so gut und scheint einen innigen Umgang zwischen uns zu wünschen. Sie ist so klein wie die Dieterich. Unsre gelbe große Stube ist nun grün. Des Vaters Ofen habe ich heute gemalt und er sieht hübscher aus, als der unsrige jemals sonst war. Bald werde ich Dein Postgeld schicken. Ich drücke Dich meine geliebte Tochter an mein Herz, liebe Deine treue Mutter.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 14. Juni 1822, Freitag . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0271


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Bl. 8°, 2 S.


Korrespondenz

Zur Datierung: Caroline Richter hat sich hier im Datum geirrt, nicht der 15., sondern der 14. Juni 1822 war ein Freitag.