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Berlin d. 29. Febr 8.

Meine liebe Caroline!

Deinen Brief vom 23. January habe ich richtig erhalten, u mich Deiner Faßung u Deiner Gesinnungen gefreuet . ich hatte Dir in der ersten Aufwallung, und in einer Art von Ungewißheit, ob Dein Brief an die verklärte Nannette auch wohl so gerade hin mittheilbar seyn möchte, solchen zurükgeschickt, u dadurch ohne meine Absicht dem Hertzen des Mannes wehe gethan, der mein Benehmen zwar strenge gerecht, aber doch für ihn empfindlich fand. –

Er äußerte dabey den Wunsch, jenen Brief doch noch zu erhalten, und wenn es, wie ich aus einem Briefe von Minna vielmehr vermuthe, noch nicht geschehen, und sonst kein Bedenken dabey ist, so schicke ihn ihm noch. ich habe mich dafür zu verwenden versprochen.

Deine Wünsche für mich rühren mich, beweisen aber, daß wir uns auch in der Entfernung, noch |2 eben so, wie ehedem angehören. Übrigens ist es würklich die höchste Zeit, daß unseren Leiden hier ein Ende gemacht werde. Denn niemand weiß mehr, wie er sich mit seinen Umgebungen fort bringen soll. Und doch herrscht überall Dunkel über die Zukunft.

  Zu den Sorgen die Sich mir in der Ferne nahen, gehört, daß einer der Sannische Gläubiger, von dem ich auf gemeinschaftliche Rechnung meiner Mit Erben ein Capital von 2000 rth Gold zum retablissement des Guths zu 4. Pro Cent geliehen hatte, nach Ablauf des ersten Jahres schon, und trotz der richtig bezahlten Zinsen, sein Capital auf den Fall gekündigt hat, wenn man ihm nicht für die Zukunft 5 P.C. gäbe. ich habe mich zu letzterem bequemen müßen, fürchte aber theils, daß der Mensch am Ende gerade hin kündigen wird, um mich in Verlegenheit zu setzen, und das Guth zur Unzeit zum Verkauf zu bringen; theils verdrießen mich auch die Zinß Bedingungen, die leicht die übrigen Gläubi- |3 ger zu gleichen Forderungen verleiten könnten: ich muß mich also mit der Sorge quälen das Geld zu negocieren, u schreibe heute den dritten Brief nach der Alt Mark, weil ich von zwey Orten schon mit der Nachricht abgewiesen bin, daß es in der Alte Mark durchaus an Gelde fehle.
Gehörte Sanne noch zum Preußischen Gebiet, so hätte es keine Noth, da ein allgemeiner Indult für hypothecarische Schulden existirt; aber in Westphalen ist diß so der Fall nicht; und diese Sorge ist nicht die geringste die mich drükt. Denn nach dem ich Sanne in Stand gesetzt, und meinen guten Pächter darauff habe, wünsche ich es auch mit Vortheil zu verkaufen.

– Sonst bin ich gesund, auch meine Frau, u wir leben zwar, wie die Schuster; allein wir theilen doch die Sorgen. – Im Verhältniß auf Minna bestehet jetzt die wichtigste Angelegenheit in den Praeparationen zum Prozeß mit Herrn Hoff Rath Mahlmann. Er läßts getrost aufs äußerste ankommen; und ich gehe meinen Weg, weil er sich die Verlag der eleg. Zeit in die Hände gespielt hat, |3 und nun der Minna den Rüken zeigt .

Auf Herrn W. scheint Minna noch zu rechnen , welches auch recht gut ist. Sie meynt ihn durch seine Verbindung mit Herrn Johannes Müller zu heben: ich kenne nun an dem Herrn Wagner außer den gerühmten Moralisch guten Eygenschaften, (die ich auf Glauben annehme, wenn ich ihn gleich um seiner Ehrsamen Treue willen für einen Pedanten halte) keinen Henkel, worann man ihn faßen kann. Er hat so wenig als Herr Mahlmann etwas von Bedeutung geschrieben, u mit dem bloßen Süß-Stof der Genialitaet ist doch nichts ausgerichtet. Doch wollen solche Herren als Gelehrte paradiren.

Endlich hoffe ich sollst Du von Herrn v. Massenbach die Bücher erhalten haben . Melde es mir.

Der junge Vaerst ist noch hier, und sein Cheff , mit dem ich alle 14. Tage im englischen Hause zu Mittag eße, wo sich ein Zirkel interessanter Menschen gebildet hat, ist mit seiner Aufführung zufrieden .

Wenn Du einst Zeit hast, so schreib an die Tante Mertzdorff . Sie wird recht alt, u ist mit doppelter Einquartierung – von Soldaten u ihren Läusen geplagt. – Die Mutter grüßt Dich mit inniger Liebe. Gruß ud Kuß an Mann u Kinder.

D. tr. V. Mayer

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, 29. Februar 1808, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0368


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Anstreichungen vfrH.