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Baireuth den 27ten Mai
1822.

Geliebte Odilie!

Gestern erhielt ich Deinen Brief , Es war der erste Feiertag wo ich rechtes Leid empfand Dir keinen Festkuchen geschickt haben zu können. In dieser Woche reißt Fräulein v. Ritter ab, und diese wird Dir einen Stollen, ein lb gemahlnen Kaffee, und Zucker bringen. Wie leid es mir aber ist, daß Du in dem Augenblik, da ich dieses schreibe, gar nichts davon weißt, und Dich in den Feiertagen meines Andenkens nicht erfreuen kannst, ist nicht auszusprechen. Aber wenn Du dieses liesest, wirst du es selber zugeben müssen, daß es eine Thorheit gewesen wäre dieses Alles mit der Post zu schicken. Anfangs wollte sie noch dazu am Dienstag reisen und dafür packte ich schon alles ein – aber heute sagt mir Fanny Welden, daß die Tante noch ein paar Tage mehr, hier bleiben wolle, es ist mir recht ärgerlich, um meines lieben guten Kindes willen, welches sich nun so lange, vergessen glauben muß.

|2 Mein einziger Trost ist, daß ja wohl auch bei Herrn Heine, Festtag wird gehalten und gefeiert werden, die gute Auguste wird ja auch wohl den Pflegkindern eine Freude bereitet haben, wodurch du geliebtes Kind wenigstens zerstreut worden bist.

Recht schwer wird es mir den Wagen der Fräulein Ritter weder für mich noch Emma benutzen zu können um das Eines von Uns Dich sähe und Du Dich, gutes Kind, recht aussprechen könntest. Allein, da der Vater Anfang Juni zurückommen will , und ich noch immer meine angefangenen Hausverbesserungen nicht vollendet habe, er auch in den 4 Tagen meiner Abwesenheit schreiben und den Tag des Wagenabschickens ihn zu holen bestimmen könnte, so darf ich nicht von der Stelle. Und kann ich Emma allein zurückreisen lassen? und wenn sie 6-8 Tage bei Dir bliebe wer brächte sie zurück? Dann ist noch eine Ursache, die Kosten. Ich habe in dieser Zeit |3 wieder so viel Geld ausgegeben, daß es höchst sündlich wäre, ohne eine dringende Pflicht, als z.B. wenn Du krank wärest eine Ausgabe mehr zu machen. Dieses Geld zur Reise, zu Deinem Taschengelde angewendet, ist vernünftiger, aber wenn der Vater zurück ist, sgeschieht es gewis. Zweifle nicht daran, daß er Dich nicht besuchte, nur weißt Du, daß er nie Wechsel auf Wechsel häuft, daß er sich erst von dieser Reise erholen muß, und die neue geliebte häusliche Ruhe erst wieder ausgenießen. Daher wird es wohl bis im August dauern. Wer weiß ob ich inzwischen nicht einmal mit der Post zu Dir reise, wo man Tag und Nacht unterwegs ist, ich thue es gewis.

Daß Du jetzt härteren Zwang Durch die doppelte Presse an Dir erdulden mußt, und das Manipulieren von 2 Männern |4 geht mir durch Mark und Bein. Gewis gehört zum Ertragen unendliche Ergebung und Geduld. Armes, liebes Kind! Könnte ich doch für Dich diese Martern ertragen, wie gerne wollte ich es! Meine gute Odilie, Gott stärke Dich, und laße Gott Deinen Trost sein. Nur gebe Er, der Allbarmherzige seinen Seegen, daß alle diese Leiden auch mit einem glüklichen Erfolg gekrönt werden. Du denkst ans herumwirthschaften wenn Du zu Haus bist! Wie wäre das möglich! Nein Du sollst geschont und gehüthet werden in Deinem Bette wie eine kleine Furstinn. Wenn der Vater seine Einwilligung dazu gibt mache ich es so: In unserer Wohnstube giebt der Platz vom Eingang der großen Stubenthüre bis zur Fensterwand wo der Flügel stand ein schmales Kämmerchen ab, wenn man durch einen Vorhang der über einer langen Staange so hoch als die Thüre ist [...]

Schreibe doch mit Bleistift ich schicke Dir welche, nebst Papier Federn Oblate, Kafféseiher e.t.c.
Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 27. Mai 1822, Montag . In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0429


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S. Schluss fehlt.


Korrespondenz

B: Von Odilie Richter an Caroline Richter. Würzburg, 23. Mai 1822, Donnerstag