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Hochwohlgeborener
Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath

In der Voraussetzung, daß ich keinen Fehlgriff in der Person Ewr. Hochwohlgeboren thue u Sie kein anderer sind, als mit dem ich vor einigen Jahren bey dem Obrist von Delius in Berlin u noch an einem andern Orte zu speisen die Ehre hatte u der mich als Carl Pilger seines besondern Wohlwollens zu versichern so freundlich war, übersende ich Ihnen beikommend Anzeige u empfehle Ihnen dieses Blatt nicht allein allgemeinhin, sondern bin zugleich so frey, Sie zur nähern Theilnehmung daran einzuladen. In jenem angeführten Umstand kann freilich blos mein Entschuldigungsgrund liegen, sonst, muß ich selber gestehen, wäre diese Freiheit, so sehr sie sich auch, wie es wirklich der Fall ist, durch die Überzeugung dem Blatte dadurch wahren Gewinn zugewendet zu haben, rechtfertigen ließe, allemal unter die Wagstücke zu rechnen. Indem ich aber Ew. Hochwohlgeboren zur Theilnehmung an der Zeitschrift |2 einzuladen mir erlaube, soll das im Geringsten nicht den Sinn haben, als wollte ich Ihnen zumuthen, ein Mitarbeit an derselben zu werden, wiewohl Sie da Männer neben Sich haben würden, deren Gesellschaft Ihnen keine Unehre bringen würde; sondern ich wünsche nur, daß Sie als ein freier, in der höhern Welt u im vertrauten Umgange mit den Musen u Grazien gebildeter Mann, derer gerade dieses Blatt am wahresten bedarf, mit Ihren Beobachtungen u Bemerkungen über das Leben u Treiben der großen Welt in Ihrer Stadt u, wo möglich Ihrer Provinz, über Gegenstände dieser oder jener Kunst, die Sie selber pflegen, über merkwürdige der Aufzeichnung werthe Vorfälle des Tages, über bedeutende Männer u Frauen, die sich um das Wohlseyn ihrer Mitbürger, um den gesellschaftlichen Ton, um Kultur überhaupt verdient machen, über Sache des Geschmacks, des Luxus u der Mode, in der mehrfachen Bedeutung genommen – daß Sie damit hinzutreten u diese Ihre Bemerkungen in ein, diesem Zwecke ausschließend gewidmeten Blatte, niederlegen mögen.

|3 Es soll mich, der ich – Ihnen immer unverhohlen gesagt – an das Schicksal dieser Entreprise das Schicksal meiner Familie zugleich mit geknüpft habe, sehr freuen, wenn Sie auf diesen meinen Wunsch u meine Bitte um Beiträge von Ihrer Hand gnädige Rücksicht nehmen u dieselbe sich zu einer Veranlaßung dienen laßen wollen, in eine Correspondenz mit mir zu entriren. Sollte Ihre Zeit Ihnen Selber vielleicht Einschränkung Ihres gütigen Willens gebieten, so will ich wenigstens bitten, daß Sie irgend einen geschickten u mit dem Tone der vornehmeren Welt bekannten Mann mir angewinnen u nachweisen mögen. Auf jeden Fall bitte ich, meine vertrauensvolle Adresse mit dem Ihnen eigenen Wohlwollen aufzunehmen u sich zu überzeugen, daß ich mit der größten Hochachtung u der innigsten Ergebenheit geblieben bin u immer seyn werde

Ewr. Wohlgeboren

gehorsamster Diener
Spazier

Leipzig 6 ter October
1800.
Zitierhinweis

Von Karl Spazier an Unbekannt. Leipzig, 6. Oktober 1800, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0631


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Textgrundlage

H: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, A/882/2008
1 Dbl. 4°, 2⅔ S.