Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Coburg, 11. Juli 1804, Mittwoch

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Coburg den 11 ten Juli 1804.
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Mein geliebter Vater,

Ihren theuren Brief habe ich vor drei Tagen durch Ernestine erhalten, nach dem ich mit unendlicher Sehnsucht Nachrichten von Ihnen erwartete. Der Inhalt deßelben hat mich aufs höchste gerührt, da Sie mir Ihr Wiedersehen zusichern, und von Ihrer Seite keine Schwierigkeiten zu fürchten sind . Ich glaubte nach Ihrem langen Schweigen nicht mehr daran, um so mehr da der 20 te Juli sich so nahe ist, an dem ich mir unser Vereinigungsfest am herrlichsten dachte. Wir müßen also wieder diesen Tag fern von Ihnen nur in stillen Gebeten für Ihre Erhaltung jede einzeln feiern – gerade den Tag an dem die Nähe des Vaterherzens, uns am nothwendigsten ist! Nun Sie werden Ihn heilig feiern, an der Seite Ihrer edeln Frau, und in der Überzeugung daß wir Ihnen nahe sind Gott erhalte Sie uns noch lange, Sie einziger Vater! – wäre doch dis kleine Bild von mir, was ich Ihnen beilege, fähig, Ihnen meine Erinrung anschaulich zumachen – ein sonst im Treffen sehr glüklicher Maler zeichnete es – aber leider verfehlte er |2 dismal die Ähnlichkeit, um die mir bei Ihnen so viel zu thun war. – – –

Was soll ich nun über die liebste idée sagen die uns jezt beschäftigen kann! Ich stehe sonderbar in der Mitte, zwischen Pflicht, und heißer Sehnsucht! Wir sind gezwungen am 1ten August unsere Wohnung in Coburg zu verlaßen weil uns vor 4 Monaten aufgekündigt wurde, welches auch den Plan nach Baireuth zu ziehen hervorbrachte. Wir haben vom 1ten Aug. an, eine Wohnung in Bair. gemiethet , und mit allen Sorgen für unsere Existenz dort, sind wir fertig. Natürlich folgt unsere ganze Haushaltung uns nach, und der transport unserer Personen und Sachen ist nicht wenig kostbar, wie Sie denken können. Was Darf ich als Frau nun von meinem Mann fodern, ja nur wünschen da er eine zweite große Reise in einem Jahr unternimmt, daß er einen Umzug um meinetwillen machte, der mehr als dem sechs dritten Tage hin und her kostet wenn wir nach Leipzig gehen, da unsere Baireuther nur 1 Tag wegnimmt. Ernestine schrieb mir , da Sie Ihnen den Vorschlag gethan habe weiter zu |3 gehen, auch die Stelle in Ihrem Briefe "ich denke, auch für uns einen Ort der Vereinigung zu finden, läßt mich das glauben, doch kann ich mir nicht denken, daß Sie etwa Rudolstadt wählen solten, welches ihnen wieder so fern liegt, oder gar Coburg welches am schönsten wäre. Solte indeßen Ihr Plan wirklich nach einem oder dem andern Ort gehen, so bitte ich Sie mir dis so schnell als möglich zu sagen weil wir nach dem 1ten August im Fall Ihres Schweigens nicht mehr in Coburg sind.– – – –

Welch ein sonderbares Zusammentreffen von Umständen muß mich nun schon zum zweitenmale um die höchste Freude bringen die mir im Leben begegnen kann – bis jezt habe ich den Gedanken Sie wiederzusehen, und Ihnen meine Kinder in die Arme zu legen, mit Gewalt von mir entfernt, um mich durch eine nochmalige Täuschung nicht zu unglüklich zu machen. – – –

Ihrem Wunsch die Flegeljahre von meinem Mann zu haben, wäre er längst zuvorgekommen, wenn er geglaubt hätte, da Sie seine Bücher jezt lesen – er behielt es sich lieber vor, Ihnen seine ästhetischen Programme zu schiken, die Ihnen als |4 ein Werk ernsthafterer Gattung mehr Freude machen werden. Ich habe mich seitdem er daran gearbeitet hat, auf den Augenblik gefreut, da Sie es in die Hände nehmen würden, und ich gestehe, daß ich recht sehr den Wunsch habe, mein Mann möchte als Schriftsteller eben so sehr Ihre Achtung erwerben, als er als Mensch Ihre Liebe besizt. Auf Michaeli kommen diese Programme heraus deren Einkleidung ganz nüchtern ohne romantische Hülle ist. Sie sehen wie rastlos meines Mannes Genius wirkt, da er zwei Bücher in einem Jahre ablieferte, und schon wieder Plane für neue Arbeiten gemacht sind. Sehr begierig bin ich auf Ihre Nachricht von der Bekantschaft der Fr. v. Kalb – ob Sie Ihnen Freude und Lust zum Umgang mit ihr gemacht hat. Ein Irrthum war es, daß ich Sie um die Bekantmachung mit Fichte bat, ich wuste nicht, daß er ihr langer Freund, und mit an ihrer berliner Reise schuld war.

Die arme Siegfried ! ja ich schreibe ihr – für eine so karges Schiksal kann der Tod nur eine Wohlthat genannt werden – aber das lange Leiden einer solchen Krankheit!

Nun leben Sie wohl, mein ewiggeliebter Vater – daß doch Ihr Geburtstag der Heiterste seyn möchte, u Sie Ihrer Kinder gedenken. Grüßen Sie inniglich Ihre theure Frau , u geben Sie mir bald Nachricht. Ewig Ihre

Caroline

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Coburg, 11. Juli 1804, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0719


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.