Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 2. Januar 1823, Donnerstag

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Bair den 2ten Jan. 23
Donnerstags.

Geliebtes Kind!

Überbringerin dieses ist die Jungfer der Frau Rittmeisterin von Kolbeck , welche jetzt nach Frankfurt reißt, und bei der Rückehr Dich midnehmen soll. Gewis wirst Du, so bekannt Du auch mit dem Gedanken der Trennung von dem Institute bist, doch über die endliche Entscheidung erschrecken, allein mein Kind, Du bist zu nichts gezwungen. Obgleich Herrn Heine in seiner Bitte um Verlängerung des Aufenthalts nicht bestimmt die Zeit angegeben hat, so denke ich es war nur von 8 oder 14 Tagen die Rede. Diese Gelegenheit kommt freilich etwas früher als ich dachte – den 8ten Januar trift der Kutscher schon wieder in Würzburg ein, also hast Du nur 4 Tage Zeit Deine Angelegenheiten zu ordnen und Deine Sachen einzupacken – und ich glaubte es würde bis den 12ten oder 14ten dauern – allein da der Wagen nicht von mir abhängt, was kann ich thun? und so weniger Tage Unterschied sind doch nicht bedeutend genug, um eine so |2 günstige Gelegenheit zu verscherzen.

Indessen ich wiederhole es, meine Seele, Du bist zu nichts gezwungen, und sowohl die Jungfer undals der Kutscher sind darauf vorbereitet daß Du Deine Mitreise abschlägst. Ich habe das so bestimmt ausgemacht, daß Du in keine Verlegenheit kommen kannst, wenn Du sagst: Du bedauertest recht sehr, Herr Heine wolle Dich noch nicht fortlassen, glaube ja nicht, daß wenn Er wünscht, Du bliebest noch den ganzen FebruarJanuar durch, Du uns ärgern oder gar kränken würdest.

Doch kann es sein, und Herr Heine und Auguste haben von selbst angenommen daß Du um diese Zeit abgeholt wirst, so lasse Dir nichts von meinem obigen Nachgeben merken, und erkläre bestimmt, mein Wagen kommt mich am 9ten Januar abzuholen. Ich schicke Dir nun alles was Du auf der Reise brauchst (es hat aber gar nichts zu sagen, wenn alles dieses bei Dir liegen bleibt, Du mußt es doch einmal haben). Gewis gehen alle Deine Sachen in den Coffer. Vergis nur nicht die kleine Maschine und alle Pressen sie müssen auch in den Coffer gepackt werden.

|3 Jetzt wenn es nicht allzu spät und kalt ist, gehe doch mit der Jungfer gleich zur Rittmeisterin Kolbeck. Sie ist fast noch ein junges Mädchen zu nennen und kann Dich in keiner Rücksicht geniren. Ihr Mann wurde im Herbst von Speier nach Bair. versetzt. Sie ist aus den Rheingegenden, und mit vielen von des Vaters Freunden bekannt, als z. B. mit Hofrath Jung und mit der Lux, mit der, der Vater von Coblenz nach Worms reißte. Sie hatte mir, als ich bei Dir in Würzburg war mit ihrem Mann einen Besuch gemacht, da ich aber meiner vielen Arbeiten wegen unerwidert gelassen hatte. Doch überwand ich die Verlegenheit die ich bei dieser Gelegenheit empfinden mußte, und besuchte sie am heiligen Abend vor Neujahr, um über ihre Jungfer Erkundigungen einzuziehen, und da diese die besten Zeugnisse erhielt, so nahm ich keinen Anstand, Dich geliebtes Kind, ihrer Obhut zu übergeben. Gewis glaube ich, es wäre Thorheit diesen günstigen Zufall nicht zu benutzen. Ich fürchte mich auch sehr vor Zahn und Augenweh, wie die Winterkälte und strenge Luft mir gewis wieder aufrührte.

|4 Ich schicke Dir nun hier noch Geld, ob ich gleich in Ungewisheit bin, was Du brauchst. Den Manipuleurs gieb nur, nach der Auguste Rath, und nicht mehr als unerlaßlich nothwendig ist. Auf die Reise Zehrung rechne ich ungefähr 5 fl. denn der Kutscher sorgt für sich. Es versteht sich, daß Du für das Mädchen in den Wirthshäusern bezahlst. Den ersten Tag laßt Euch im Wirthshause Mittags nur Caffee geben – des Abends esset aber ordentlich. Den zweiten Tag iß aucheben ordentlich Mittagbrod im Wirthshause, des Morgens hübsch Caffee. Wein und etwas Pfefferkuchen, da ein Anderer zu alt werden würde, ist im Coffer.

Befolge meinen Wunsch, und kaufe in Würzburg ein hübsches Kleiderzeug – Madras – nimm 10 Ellen. Da ich Dir keinen Mantel kaufen soll. Emmas Zeug kostete hier 41 xr. Das Geld dazu ist apart eingewickelt.

Gottes Seegen über Dich geliebtes Engelskind. In jedem Fall schreibe mir gleich, ob Du mitreisest oder nicht, in 2 Tagen kann ich den Brief haben.

Der Rahmen vom Vater muß auf den Wagen gebunden |5 werden, und Wachstuch darüber. Auch wenn Du nicht mitreisest, schicke ihn mir durch den Kutscher er thut es gern.

Wie ist Deine Redoute ausgefallen? Möchtest Du von Freude ganz erfüllt gewesen sein. Der Vater ist wohl, und Emma glänzte gestern Abend sehr im neuen Krepp kleide bei Weldens. Ich war zu Hause und dachte ruhte mich aus.

Ewig Deine treuste
Mutter Caroline.

Wenn Du mitreisest, wird wohl die Jungfer bei Heine schlafen können, damit Ihr beisammen seid.

|6 Der Wein ist in der Tasche des Pelzes.

Zitierhinweis

Von Caroline Richter an Odilie Richter. Bayreuth, 2. Januar 1823, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0819


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Bl. u. 1 Dbl. 8°, 4⅔ S. Auf S. 6 Adr.: An | Fräulein Odilie Richter | im Stephanskloster Würzburg | bei Herrn Professor | Heine.


Korrespondenz

Der Brief wurde überbracht durch die Bedienstete der von Bayreuth nach Frankfurt am Main reisenden Frau Kolbeck, die in Würzburg Station machte.