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Meiningen den 6n Mai 1808.

Nun dann, bester, geliebter Mann! Wollen Sie uns auf zwey Tage haben, so kommen wir! Und setzen Sie, wo möglich den Tag unserer Kunft noch vor dem 15n d. M. an; denn die Natur eilt in brünstiger Kraft hervor, und der Mensch muß eilen, den Menschen in der Mitte ihrer Frühlingsdüfte ans warme Herz zu schliessen. — Meine gute edle Herzogin grüsst Sie recht warm. Sie ist ehegestern abgereiset und hat ihrem schönen Sohn kein schöneres Frühlingsfest zu seiner Zerstreuung wünschen können, als – Bettenburg. Mündlich mehr von ihr.

Plage werden Sie ja freylich viel von uns haben – d. h. freylich nur von mir; aber – verzeihen Sie: ich kann es dennoch nicht lassen – ich muß Sie in B. sehen!

Meinen Schimmel will ich zu Hause lassen. Gewiß leiht mir Ihr Pachter einen kleinen, alten, schwermüthigen, langsamen, ziemlich S sichern Gaul, mit einem Sattel, an dem ein tüchtiger Aufhängriemen zum Dranhalten befestigt ist – auf dem ich einmal in Ihrer ganzen Anlage herumschleiche, und der mich ausserdem höchstens 4mal, je des Abends und des Morgens auf den höchsten Punkt der Bettenburg (gewiß giebt es einen, auf dem man einsam sitzen und isolirte Aussicht haben kann) zu tragen Muth hat. Denn ich möchte dort doch (verzeihen Sie dem Künstler!) auch einige Landschaften, vielleicht auch einen Sonnenaufgang (der noch nicht von mir existirt) noch vor meinem sogenannten Ende zeichnen. Ein Mühlesel wäre noch besser – denn der scheut niemals. |2 T t ausend Dank für Ihre neulichen theuren Zeilen! Auch für die freundliche Besorgung der Kirschen, für welche ich die 16. 24er hier anlege.

Studnizen (der mich Ostern besucht hat) will ich zwar zu unsre Reise melden, aber ich glaube nicht, daß er vor Pfingsten Urlaub nimmt . Sollte er ja in B. erscheinen, wie er neulich so gar sehnlich wünschte, so lassen Sie auch ihn willkommen seyn – er verdient es gewiß. – Nach Lahm gehe ich nicht. Es ist für mich doch wohl zu weit – und ich habe meinen Bruder die Ostern gesehen. Auch er lag sehr krank an der Bettenburg, und wollte mich dort gern von Heiligersdorf aus abhohlen, von wo es nicht so weit seyn kann; allein, ich fühle mich wirklich nicht stark genug dazu; und sein Wagen schien mir nicht bequem.

Daß ich meinen kleinen Anton mitbringe, mögen Sie gütig verzeihen! Der Prinz liebt ihn, und die gute Mutter wünschte es deswegen, ohne mein Zuthun. Auch mir ist übrigens nothwendig, daß jemand in meiner Kammer schlafe, wozu der Kleine gut ist.

Nun englischer Mensch! Zürnen Sie nicht über all die Entschuldigungen im Voraus! Nehmen Sie gern auf

Ihren

ewigtreuen
JEWagner.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen. Meiningen, 6. Mai 1808, Freitag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0875


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Bl. 4°, 2 S.

Überlieferung

D: Briefe über den Dichter Ernst Wagner, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 2, Schmalkalden: Varnhagen 1826, S. 119–121 (ungenau, unvollständig).

D: Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 233–234 (ungenau, unvollständig).