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Meiningen den 16n April 1810.

Innigsten Dank, Verehrtester, für den lieben, herzlichen Gruß durch des edlen Köniz Freundes-Mund! Er befahl mir an, Ihnen auch zu diesem Briefe, den ich schon lange habe schreiben wollen, seinen Logogryph zu legen – den, so schön er auch gedichtet ist, ich doch niemanden als Ihnen, Allerbester, zu zeigen vermag, da ich der darinn wehenden Güte bey weitem nicht werth bin.

Ich setze auch noch ein Distichon darunter, das mir einst mein guter Studniz sandte, als ich mich zur Schriftstellerey, noch in Roßdorf, entschloß – wobey er mir aber dennoch von ihr abrieth, weil ich Hausvater sey. Die Umstände wandten sich aber bald darauf zu meinem Glücke, als der edle Georg ganz unerwartet sein Auge auf mich richtete.

Mein Geist ist heiter und in meinem Leben beginnt es Licht zu werden. Am 2n Febr., meinem Geburtstage, entbot mir unsre edle, liebenswürdige Herzogin durch Mosengeil, recht mit der Morgensonne, einen unaussprechlich holden Engelgruß, vermöge dessen sie, wann ich dahin bin, meine geliebten zwey Jungen auf der Malerakademie in Dresden auf ihre Kosten studiren lassen will! — — Muß dieß nicht (besonders da meine Knaben täglich braver werden) süsses Licht in die letzten Stunden meines Lebens bringen?Ach, wenn ich bald in jenen Gefilden meinem guten Herrn nahe, und ihm Geistergrüsse darbringe, von der holden Gattin (die mir – ach, des seltnen Beyspiels! — mehr hielt, als der Edle mir versprach!) Geistergrüsse von der Bettenburger treuen Ritterseele und von dem theuern Siemauer Paare – von diesem freundlichen Kleeblatt, aus dessen Herz meine angebetete Fürstin, wie die Blume, für mich (mitten im Januar) aufblühte, selig duftend für meine verwaiseten Lieben — Liebesgrüsse von seinen herrlichen Kindern , diesen rein und redlich erzognen, die dem armen Diener so freundlich waren, wie die göttliche Mutter – – ach wie selig werd' ich seyn, mein theurer, allerbester Freund!

Ja, der Erdensorgen sind mir weniger geworden! Gott hat meine Eltern und Voreltern ehrlich und redlich dahinfahren lassen. Er, an den ich ewig fest glaube, wird auch für den ehrlichen Namen meiner Gattin sorgen, für den ehrlichen Namen meiner drey geliebten Kinder! — Sehe ich doch den meinigen durch seine Gnade, jetzt beynahe gesichert! Und gerade der ehrliche Name war mir stets hienieden das Wünschenswertheste! |2 Ich wollte Ihnen nicht eher schreiben, bis ich wusste, wann Cotta zur Ostermesse hier durchkommt. Jetzt schreibt er mir , daß er mich den Donnerstag oder Freytag vor Jubilate hier zu besuchen hoffe.Ich stelle mir vor, daß Sie, Bester, hier mit ihm Geschäfte machen werden, da an einem ewigen Continentalfrieden nun wohl niemand mehr zweifeln kann; und ich kann Ihnen mit Ihrem Kirschwerk nicht genug Eile empfehlen. Aber ich rede dieß nicht bloß aus Eigennutz und um Sie hier ans Herz zu drücken, sondern aus dem mir immer lebendiger werdenden Grundsatze "daß die Guten auf Erden eilen sollen, da die Bösen auch eilen." S. Richters Dämmerungen.

Cotta ist übrigens ein lieber Mensch, den ich Ihnen wirklich empfehlen kann. Ich habe ihm mein endlich (und wie Studniz meynt) glücklich vollendetes ABC gesandt, woran jetzt gedruckt wird, und das vielleicht noch zur OMesse erscheint. Er bittet mich, ich soll nur dafür fordern, was ich will, und hierüber sogleich disponiren, wie ich will. Welcher Verleger in der Welt thut dieß, ausser diesem königlichen Kaufmanne?

Mein Gott, welch ein herrlicher, rein und heiliger Mensch ist Richter in seinen Dämmerungen! Ich muß ihm in einem besondern Briefe dafür danken – und ich wollte, alle Welt dankte ihm dafür mit lauter Stimme!

An meiner Isidora geht es. Aber ich besorge nur, es wird ein erster Band bleiben und also auch aus dem ersten nichts werden. — — Das ABC. soll sogleich in Bettenburg aufwarten, wenn es erscheint. — Apropos! Ich habe vergessen, Sie zu fragen, ob Ferdinand Miller nach seiner Geburt von Leipzig aus durch Hanisch, Ahl oder einen andern Ihnen zugekommen ist? Ich hoffe es, da Sie auf meinem Bestellzettel standen – ich glaube durch Herrn Kummer . Melden Sie mir es doch gnädigst.

Nun, Fürst der Bettenburg, König der Blüten, Kaiser der Kirschen, Freund der Herzen – lebe wohl, wohl, wohl!Ewig und unveränderlich

Ihrtreuer und dankbarer
JEWagner.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen. Meiningen, 16. April 1810, Montag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0925


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König)
1 Dbl. 4°, 2 S. Auf S. 1 Adr. (?): Sr | des Herrn Major von Truchseß | Hochfreiherrlichen Gnaden | in | Bettenburg | bey Oberlauringen. | Postfrey. Poststempel: R.S.MEININGEN.

Überlieferung

D: Briefe über den Dichter Ernst Wagner, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 2, Schmalkalden: Varnhagen 1826, S. 136–142

D: Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 244–246


Korrespondenz

A: Von Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen an Johann Ernst Wagner. Bettenburg, 26. und 28. Mai 1810