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Meiningen den 3n Febr. 1811.

Beste Seele auf Erden! – Wohl vernahm ich Ihren schönen lauten Abschiedsgruß . Aber als der Lahme das Fenster erreichte, waren die flüchtigen Rosse schon weit – weit! – Ich bin lange nicht so entsetzlich allein gewesen, als in jenen Augenblicken!

Nun, Dank für alle hohe innige Liebe, die ich noch nie in so schöner Fülle genoß, wie dießmal – denn Ihr Herz, o reiner, unaussprechlich anmuthiger Mensch, ist noch unendlich reicher geworden, als es war! Hatte die Reise vielleicht noch mehr, sonst nur bloß schimmernde, Aurorawölkchen in diesem schönen Himmelsraume angezündet? – o so sey sie mir doppelt gesegnet! – Dank, innigen Dank für Ihre Liebe zu meinem Anton – ach, seine Thränen träufelten noch lange – diese Liebe, ja sie wird, sie muß ihn besser und frömmer machen. Und jeder seiner kleinen Gedanken ist entflammt von Ihrem theuern Namen. Nur so – (denn, Bester, Sie thaten mit Ihrem irdischen Geschenk zu ungeheuer viel, wie ich erst nachher erfuhr) – aber nur so, wunderbarer Mann, nur so sprach auch dieses nicht seinen Stolz, sondern nur seine dankbare Liebe an, und gab ihm die erbaulichsten Vorsätze.

Die gute H. hat die Zeichnung gewählt und revangirt sich (welcher Seegen liegt überall in Ihnen!) noch obendrein dafür mit einem neuen Pastellkasten. Denken Sie sich nun hiebey Antons Gedanken an Sie – und verschmähen Sie seinen Herzensgruß nicht! – Übrigens war mir die Wahl der Gebieterin sehr lieb. Denn das Gemälde ist noch weit besser gerathen, als die Zeichnung. Morgen geht ersteres [...] auf die Post nach Stuttgart. Ich habe es nicht ganz gerne einpacken sehen, wiewohl ich den Maler im Hause behalte, und eine Copie. – Aber – Wangenheim und Ihre dortigen Lieben sind mir doch gar zu werth durch Sie geworden – also diese mussten es bekommen, und ich will nicht murren. Ich habe dabey dem edlen Wangenheim mein Herz ausgeschüttet.

Ihr Gedicht folgt hier, in drey Distichen :

"Das Übertriebne.
Mit Karfunkeln und Hyazinthen wollte einst Werner
Mystische Kräfte noch leih'n Luthers gewaltiger Kraft
.
Drauf im Attila bracht' er fünf Sakrament' aufs Theater;
Aber dafür geht er jetzt auch in der Reue zu weit:
Denn zu in Rom genügt ihm der Kuß des Pantoffels nun nicht mehr –
Unter ihn kriechet er gar – siebenfach will er den Gott.
"

Ich habe Wangenheimen diese herrlichstrengen Kraftgedanken mitgesandt , doch, versteht sich, nicht darüber disponirt, da ich um Alles nicht daran Schuld seyn möchte, daß mir irgend ein Papistendichter meinen hohen protestantischen theuern Ritter etwa anzuzapfen wagte!

Nächstens mehr. Für heute mein wärmstes Lebewohl meinem a A llerbesten – meinem geliebten Freunde! Ewig

der Alte JEWagner.

Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen. Meiningen, 3. Februar 1811, Sonntag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0948


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Textgrundlage

H: Faksimile Baumbachhaus Meiningen (ehemals Slg. König),
1 Bl. 4°, 1 S.

Überlieferung

D: Briefe über den Dichter Ernst Wagner, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 2, Schmalkalden: Varnhagen 1826, S. 145-147

D: Ernst Wagner’s sämmtliche Schriften, hg. von Friedrich Mosengeil, Bd. 12, Leipzig: Fischer 1828, S. 249-250