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Eisenach, d. 23ten Januar
1819

Am letzten Posttag wollte ich Ihnen, mein theurer Freund, meinen Dank, für Ihren, mit dem Seelen Gemälde der Kaiserin Maria so schön geschmückten Brief sagen, als wir eben die Todes Kunde unsres geliebten Freundes , des Geheimraths Heim, aus Meiningen erhielten. Wenn uns auch solche Nachricht, bey dem Alter von 80 Jahren welches der Verewigte erreicht hatte, nicht außerordentlich verwundern konnte, so überraschte sie uns dennoch unsäglich schmerzlich, da ich kaum einige Tage vorher den jugendlich gelauntesten geistig kräftigsten Brief von ihm erhalten hatte. Ein merkwürdiges Leben in ihm ist untergegangen, für Meiningen ist sein Tod sehr bedeutend und unter den mir dort Bekannten seine Stelle unersetzlich. Recht tief betrübt betraure ich den geehrten väterlichen Freund, fast sollte ich noch anstehen mich in so wahrer Stimmung Ihnen zu nähern, wüßte ich nicht, daß Sie die Freundinn aufnehmen wie sie ist, und darum Nachsicht haben. Es lösen sich so viele Bande und die Heimath der Erde wird leer ! – – – –

Der Tod der jungen lebens kräftigen Königinn von Würtenberg hat wohl ohne Ausnahme jedermann ergriffen |2 namentlich im Gegensatz des Triumpf und Freuden Zugs der Kaiserin Mutter zu ihren Kindern , der im Hinter Grunde, anstatt ihren Heim Zug durch fortziehende fröhliche Bilder zu erheitern, den Trauer Catafalk der Tochter aufstellt. Ich kann Ihnen nicht sagen wie eigen und mächtig ich davon erschüttert worden bin, und wo am Ende der Gedanke sich aufdrängt, keiner endlichen Freude sey eine Dauer abzugewinnen! – Die arme Grosfürstin, wie verwundet mag sie seyn, die starke Seele der Kaiserinn erträgt den Schmerz wohl am ersten, da sie eigentlich unter den außerordentlichsten Prüfungen und Erfahrungen ihren Geist erkräftigt hat, doch man vermag das Gefühl einer Mutter zu schildern, wenn ein Opfer gegeben werden muß. – –

Als eine gute Eisenacher Bürgerin verhehle ich Ihnen nicht, daß es uns wehe thut, von der ausgesprochensten Eigenschaft der Kaiserin, ihrer Wohlthätigkeit auch nicht das Geringste genoßen zu haben. Ich enthalte mich aller Bemerkungen die hie zu nichts führen und nicht ändern was einmahl der Residenz als ihr allein gehörend angenommen ist, aber sehr niederschlagend ist es für alle diejenigen die mit den Armen und Nothleiden |3 den Pflege hier zu thun haben, daß man in Weimar so gar nicht glauben will wie arm und was schlimmer ist, wie hülflos und nahrunglos, wir hier sind. Ich bitte Sie, keinen Gebrauch von meiner Klage zu machen, es hilft nichts und so bitter natürlich ich es finde, daß unsre Bürger überhaupt die Eisenacher sich als zurükgesetzt ansehen, so möchte ich um keinen Preiß mich als Organ der ausgesprochenen Klage aufwerfen.

Falks Auffruff ist vortreflich, ich freue mich wie der edle sich wahrhaft aufopfernde Menschen Freund hier auftrit und wie er belegt was er bewirkte. Er muß überzeugen selbst seine hartnäkigsten Gegner.

Schwendler sieht seine Reise nach Weimar noch so in weiter Ferne, daß er kaum an dieselbe glaubt, also vorgetzt nur seine herzlichsten Grüße für Sie u Ihre theure Gemahlin, an welche Pauline und ich uns anreihen.

Noch einmahl, entschuldigen Sie den Ernst dieser Zeilen.

Die

Ihrige
Henriette Schwendler.

Zitierhinweis

Von Henriette Schwendler an Friedrich von Müller. Eisenach, 23. Januar 1819, Sonnabend. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1136


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Textgrundlage

H: GSA, 68/540, Bl 37-38
1 Dbl. 8°, 3 S.