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B. 6 Jul. 1808

Meine theuere, gute Car.! Es bleibt mir, was mir seit einiger Zeit selten blieb, eine ruhige Stunde u diese will ich mit Ihnen theilen. Ihr Brief in März hat mich nicht gefunden; aber der v. 10 Mai .

Der Jette hab' ich den ihrigen sogleich zugehen lassen.

Das Abschreiben seiner Briefe ist freilich etwas Mühsames u das umso mehr, da man seine Liebes- u Freundschafts-Ergiesung nicht gerne einem andern Abschreiber in die Hand geben mag; aber man wird schon durch die nächste Antwort u am meisten in der Zukunft reichlich dafür belohnt .

Ich kenne Sie, gute Caroline, u Ihre Theilnahme u freue mich, ohne Worte der Versicherung erhalten zu haben, dieser Gewißheit.

Haben Sie unendlichen, herzlichen Dank, für Ihre gute Gesinnung u den reinen Willen für mich.

Mir wird Sinn u Wille der Meinigen immer reinwerther, immer schätzbarer, je mehr die jetzige Welt strebet, beides zu verunreinigen, zu entwürdigen.

Also haben Sie sich als Wienerin angesiedelt u dem Luxus ein Opfer gebracht.

Ich preise Sie glücklich , in einem Lande des Friedens – obgleich auch des Luxus – leben zu können.

Am Ende sollte man dem Luxus meistens das Wort reden, auch so gar dann, wenn er mehr befördert den Pracht als die Kunst.

Gott des Friedens beschütz' Ihren Luxus!

|2 Ihre Menschen gefallen mir, Caroline!

Meistens sind das für uns die besten, die nicht wir selbst sondern der Zufall und die Gesellschaft für uns suchen.

Leider! sag' ich das schon jetzt, viel Jahr wohl zählend – da ich nichts zähle als meine – aber doch zu iung, nach meinem Gefühle, zu dieser Wahrheit – die es durch Erfahrung mir ward.

Zwar auch Gutes hat diese Erfahrung für mich; denn die wenigen Auserwählten sind es, die mir das Schicksal, die Vorsehung gegeben, gelassen, gesucht, diese sind es, die mich ziehen und sich – entziehen der Menge.

Liebe Car.! Sie glauben nicht, wie wenig ich lese, oder Sie glauben es, wenn ich Ihnen sage, daß ich jetzt in 4 Wochen kein Buch in die Hand genommen hatte u daher müssen Sie mir Ihre Schriftsteller schon immer, wie Sie es thun, ein wenig zeichnen.

Freut sich schon meine Seele, wenn Sie mir eine gute männliche Zeichnung liefern: so freut sie sich noch mehr, bei einer guten weiblichen.

Weiber zeichnen immer moralisch – denn selbst Angel. Kaufmann konnte keinen Mann richtig zeichnen – die Männer besser d. h. richtiger, treffender, als die Weiber.

Der Schriftsteller ist oft nur ein Theil des Menschen, oft der bessere, oft der mindergute, oft theilen sie sich in Kopf und Herz u der eine |3 nimmt jenes u der andere dieses – wie ist es nun möglich immer kennen den Menschen im Buch?

Am besten zu kennen ist er im Auge, im Hause, in der Familie und in seinen Freunden der Mensch.

Daher lieb' ich Ihre Menschen, so bald Sie mir sie so vorstellen, wie Ihren Hoser; Ihre Pichler, v. beiden hab' ich nichts gelesen – u Ihre Schumacher , die ich mit Ihrem Brieflein erwarte.

Ihre Beschäftigungen freuen mich zwar sehr, doch wär' es schön gewesen, wenn Sie die Schumacher hätten geleiten, so daß man Sie hätte sehen können.

Car. B., Nichte meiner alten V., Erzieherin zweier Prinzeß. v. Solms-Br. wollte uns besuchen. In Rudol-, ihrer Vaterstadt wurde Eine Prinzeßin krank, sie kann also nicht kommen. Da sie die Tante und mich gerne sehen möchte und wir auch sie: so geben wir ihr nächsten Dienstag ein Stelldichein in Gräfenthal. Wenn ich wieder zu Hause bin geh' ich aufs Land; ich möchte, daß die Schuhm. nicht gerade zu dieser Zeit hierh. komme.

Die vormalige Gräfin Schlabernd. war |4 3 Wochen mit einer Schwester, einer großen Tochter u einem Töchterlein b. Richters auf Besuch hier .

Sie waren oft b. mir u wir waren zusammen oft vergnügt auf dem Lande, in unsrer Nähe.

Hab' ich Ihnen nun nicht auch Manches erzählt?

Da Sie mir in Ihrem iüngsten Brief eine große Beschreibung versprochen haben: so hoff' ich, daß sie nun fertig u bald in meinen Händen seyn wird.

Th. ist b. Pestal. u will als Kinderlehrling angestellet seyn u sein Unterkommen finden .

Mein Uhlfelder, seine iüngste Tochter heirathet einen sehr braven Schweitzer – grüßt Sie freundschaftlich durch seinen u Ihren alten, redlichen

E.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 6. Juli 1808, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1290


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
1 Dbl. 8°, 3⅔ S.