Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Meiningen, 9. März 1802, Dienstag
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Theurer geliebter Vater
Vor drey Tagen erhielt ich erst Ihre Briefe aus Leipzig, ich eile Ihnen dis zu sagen, damit Sie meine quälende Besorgnis die ich Ihnen in meinem lezten Brief mitgetheilt habe, auf gehoben wißen. Es war auch die höchste Zeit, denn ich fing ganz bestimmt an, Sie gefährlich krank zu glauben, und hielt es für eine unzeitige und leichtsinnige Schonung Ihrer Pflegerinnen, mir lieber nichts, als eine so unglückliche Wahrheit zu sagen. Sie können mir dis nicht verdenken da ich fast zwei Monat nichts von Ihnen und meinen Schwestern hörte. Der ganze Grund der Zögerung liegt in Tinchens Mahlmanns Schonung, der einen die Ihrigen begleitenden traurigen Brief von Tinchen , nicht wolte an mich abgehen laßen, den ich aber doch bekommen habe, weil die gute Tine nicht Zeit hatte einen andern zu schreiben. Gott sey Dank, daß Sie wieder wohl sind, mein bester Vater, es ist ein Glück daß ich Ihren vergangenen Zustand |2 nicht damals gekant habe, weil ich nicht zu Ihnen eilen konnte – o die Entfernung ist fürchterlich, wenn man für die theuersten Menschen handeln möchte!
Ich darf es nicht sagen wie mich Ihre Briefe ergriffen haben, noch habe ich nicht den Muth den Einen zum zweitenmale zu lesen – o mein theurer Vater!
Ich erwarte mit der höchsten Sehnsucht Nachrichten von Ihnen – so oft denke ich was Sie wohl jezt thun mögen, an manchen Stunden des Tages sind Sie mir so lebhaft vor der Seele, und vieles kann ich noch immer nicht faßen als wenn es nicht möglich wäre!
Gott erhalte Sie – mache Sie glücklich! Lieben Sie Ihre Kinder ferner wir alle beten für Sie! Sehen wir uns bald? O schreiben Sie mir, oder an uns gemeinschaftlich, weil Ihre Zeit Ihnen theuer ist. Die Hofnung auf unser Wiedersehen ist das seeligste und schmerzlichste was ich mir denken |3 kann, diese Hofnung will ich wenigstens festhalten, weil sie mich so glüklich macht.
Ich schließe weil ich heut einen Waschtag habe, und spät zum schreiben kam, aber ich wollte Ihnen lieber die wenigen Zeilen als Nachricht des Empfangs Ihrer Briefe geben, über deren Außenbleiben ich zu Ihnen geklagt. Vegeben Sie mir, und schließen Sie mich mit meinem Mann der Sie innig verehrt und grüßt, an Ihr Herz
Ihre
ewige
treuste
Caroline
Die Quittung liebster Vater bekommen Sie mit dem nächsten Posttag, mein Mann hat heute keine Zeit.
Zitierhinweis
Von Caroline Richter an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Meiningen, 9. März 1802, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0041