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Leipzig. Am 12ten Oktober 1802.

Sage mir, meine geliebte Caroline, warum ich gar nichts von Dir höre ? – Du selbst kannst zwar nicht schreiben, doch fände sich ja wohl irgendein Wesen da ß s mir Nachricht von Deinem Befinden gäbe! – Ich bin recht sehr in Unruhe, denn wie leicht ist es möglich daß du oder Dein kranck bist, oder Dein Kind!

Es müßen jetzt bald 3 Wochen seit Deiner Entbindung verfloßen seyn, und wie wahrscheinlich ist, es, daß es Mommente der Gefahr für Dich gegeben hat! Kann ich denn gleichgültig dabey seyn? Und diese Ungewißheit ist eigentlich das schrecklichste.

Wenn es Dir irgend möglich ist so schreib mir doch nur ein Paar Zeilen, meine geliebte Schwester!

Wie bin ich begierig, von dem Eindruck, welchen das uns Vaters Heyrath auf Dich gemacht haben muß zu hören! Schreib mir doch ja darüber! – Ich lege Dir hier noch einen Brief vom Vater nebst Einlage bey. Ich habe ihn schon eine Weile, und hasthabe fast ganz vergeßen, ihn Dir zu schicken. – Noch |2 einmal bitte ich Dich auch um Zurücksendung des ersten Briefes vom Vater . Er ist mir dringend nothwendig.

Du bist doch nicht böse, meine liebste Caroline, daß du noch nichtden Cattun erhalten hast! Früher ihn Dir zu schicken würde nicht wohl möglich gewesen seyn – wenigstens kauft man in der lezten Meß-Woche immer [...] am wohlfeilsten! – Besorge nichts wegen Mangel einer Gelegenheit, ihn Dir zu schicken die vielleicht nun mehr entstehen könnte. Du erhälst ihn auf jeden Fall mit der Post. Auch dann, was ich für Dich gearbeitet habe. Der Polrock ist noch nicht fertig – und ich hoffe daß du ihn auch jetzt noch nicht entbehrst. Noch liegt ja das Kindchen in den Windeln! Die Müzchen stricke ich absichtlich ein bischen groß, nicht wahr es ist beßer?

Schreib mir doch (denn gewiß ist die Taufe schon vorbey) welche Namen dein kleines Mädchen erhalten hat ! Wenn Du mir noch ein bischen gut bist so schreib mir ja recht bald, und schreibe mir wie das kleine Wesen aussieht! Wem es ähnlich ist etc: hörst du?

|3 Hast Du denn an Minna geschrieben? – Sage es mir doch? –

Du wirst finden daß ich recht flüchtig schreibe. Es ist mir auch in dieser Zeit, als ob mich immer etwas jagte. Es ist eine rechte Zeit der Unruhe. Seit meiner Rückkunft in L. bin ich noch nicht recht zu mir selbst gekommen! Ich machte während der Zeit wieder eine andre kleine Reise zwar nur auf 4 Tage aber recht angenehm. In der Meße wohnen wieder Verwandte meines Mannes bey uns! –

Sage mir doch ob Du nichts vom Emanuel hörst? Und kannst Du mir es sagen, ob er sich im Ernst für die Goldschmidt in Berlin intereßirt. Sie thut das leidenschaftlich – doch aber nach ihrer Art! Ich glaube das sie durch ihn auf ein Solides etablisement sich zu verschaffen denkt. Es wäre indiskret, wenn ich zu einem andern als zu Dir darüber spräche. – und ich hoffe darum daß Du nichts vo die Goldschmidt nicht compromittirst, ob gleich Emanuel wohl Dir näher ist als sie. Schreib mir doch einmal über dies Thema. Ich muß sagen, der Wahn der Goldschmidt ist mir oft lächerlich, doch vielleicht irre ich mich auch. Sey aber ja diskret! –

Emanuel, kommt, wie die G. sagt, im Winter nach Berlin! –

|4 Nun, lebe wohl, meine einzige liebste Seele, und schreibe mir ja recht bald. Ich drücke Dich tausendmal an mein Herz, und Dein Kind, das knautsche und drücke dich ich in Gedanken bis es schreit. Sage mir nur, wie Dir ist daß Du ein Kind hast! Lebe wohl, lebe wohl! und grüße herzlich Deinen lieben Mann – der doch meinen Brief erhalten haben wird? Adieu

Adieu

E'. M:

Zitierhinweis

Von Ernestine Mahlmann an Caroline Richter. Leipzig, 12. Oktober 1802, Dienstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0108


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 3½ S.